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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Magnus in die Hotelbar und trinkt zusammen mit drei müden Journalisten, die sich hier zu Tode langweilen, ihm für ein paar Drinks aber gern einiges an Informationen und ihre Theorien über den bevorstehenden Prozess sowie über frühere Gerichtsverhandlungen weitergeben, über die sie für ihre Zeitungen berichtet haben. Im Gegenzug erzählt Magnus ihnen von Spanien, wo die drei nach dem bevorstehenden Prozess als Nächstes hinsollen. Die sowjetische Presse hat ihn die Schapatowo-Verschwörung getauft und viel über die angeblichen Verbrechen der beiden Männer geschrieben, die inzwischen in vollem Umfang geständig sind, wie die Zeitungen triumphierend vermeldet haben.
    Einer der Journalisten, ein Brite, stellt sich als Ian Fleming von der Agentur Reuters vor. Er ist ein großer, schlanker Mann mit schwarzen Haaren und einem schmalen aristokratischen Gesicht. Er raucht eine Zigarette nach der anderen, die er in eine lange Zigarettenspitze aus gelbem Elfenbein steckt. Er hat eine vornehme englische Diktion, die Magnus an Internate und Eliteuniversitäten denken lässt, aber auf eine leicht arrogante Weise wirkt er trotzdem recht sympathisch. Er vertritt eine zerstreut weltfremde Haltung zum Dasein im Allgemeinen und zu Moskau im Besonderen.
    Er sitzt auf einem zerschlissenen Sofa neben einem der beiden Amerikaner, dessen Namen Magnus nicht verstanden hat. Der Amerikaner sagt nicht viel, dafür trinkt er, wie Fleming auch, ruhig und konzentriert seine Wodka-Martinis, gerührt und nicht geschüttelt, während Magnus und der andere Amerikaner, Paul Keenan, sich an den Bourbon halten, den die gut sortierte Hotelbar ebenfalls im Angebot hat. Die Bar befindet sich in der ersten Etage und ist von Presseleuten und einigen russischen Damen mit viel Make-up bevölkert, die vorgeben, etwas anderes zu sein, als sie sind.
    Keenan schreibt für die New York Times, und da er in den letzten Jahren über eine Vielzahl von Terrorprozessen berichtet hat und offensichtlich Russisch spricht, führt vor allem er das Wort:
    »Ich sage Ihnen, Meyer. Das Ganze ist eine sorgfältig geplante Zirkusnummer, auf die sie sich in dieser Stadt ja besonders gut verstehen. Ein abgekartetes Spiel. Man macht sich gar nicht erst die Mühe, so zu tun, als handle es sich um eine faire Gerichtsverhandlung. Nur, warum erschießt man sie dann nicht gleich? Das würde doch einiges an Mühe ersparen. So macht man es doch sonst auch mit den Angeklagten. Im Keller des Hauptquartiers Lubjanka jagt man ihnen eine Kugel in den Kopf. Das ist gar nicht weit von hier, so ein Riesenkasten. Sie können ihn nicht übersehen. Bis zur Revolution war es der Hauptsitz einer Versicherungsgesellschaft. Jetzt ist es das Hauptquartier eines der brutalsten und effektivsten Geheimdienste, die die Welt je gesehen hat. Und unglaublich geheimnisvoll! Die Angehörigen werden nie erfahren, warum ihre Lieben hingerichtet worden sind oder in welches Massengrab man sie geworfen hat. Das ist ein Staatsgeheimnis. Aber ab und zu entscheidet man sich dafür, einen Schauprozess wie diesen durchzuführen. Man bittet Journalisten aus aller Welt um ihr Erscheinen, damit siesich davon überzeugen können, wie hier der kommunistischen Gerechtigkeit Genüge getan wird. Stalin verlangt in regelmäßigen Abständen nach einem Prozess, damit er ein Exempel statuieren kann. Vater und Sohn Schapatowo eignen sich gut als Exempel, nicht wahr? Der Vater ist Oberst beim NKWD, auf die Weise kann Stalin dort mal wieder aufräumen und Angst verbreiten. Vielleicht ist Oberst Schapatowo ja zu einer Gefahr für Stalins Oberschergen, den Volkskommissar und NKWD-Chef Nikolai Jeschow, geworden. Wenn man den Namen nur leise flüstert, löst er bei den Kameraden in diesem gepeinigten Land schon Durchfall aus. Stellen Sie sich das vor.«
    Keenan schaut in die Runde und trinkt einen Schluck, genießt offensichtlich seinen Vortrag und die Aufmerksamkeit, die zumindest Magnus ihm schenkt. »Der Sohnemann ist Offizier beim Roten Heer«, fährt er dann fort, »wo Stalin gerade große Teile des Offizierskorps säubert, von denen er annimmt, dass sie Bonapartisten und darauf aus sind, sich die Revolution unter den Nagel zu reißen, so, wie der gute alte Napoleon sich damals die Französische Revolution geklaut hat. Offizier Schapatowo ist keine große Nummer und steht in der Hierarchie auch nicht besonders weit oben, sein Vater dagegen schon. Und jetzt müssen alle, die jemals mit dem Herrn Offizier in Kontakt gewesen sind,

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