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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Brodersen sehr gut gefallen, und er hofft, dass Magnus auch aus Moskau etwas für ihn schreiben wird.
    »Man muss seine Tarnung pflegen«, hatte er gesagt. »Ich beneide Sie um diese Reise. Russland ist ein erstaunliches Land, das sich mit keinem anderen vergleichen lässt. Brutalität und Kultur gehen dort Hand in Hand. Esist ein Land, in dem man sich höchst lebendig fühlt, solange es einem gestattet ist. Passen Sie also auf sich auf und berichten Sie von dort. Sie haben eine gute Schreibe.«
    Svend bestellt noch eine Karaffe mit Wodka und erzählt Magnus, dass man ihn hierzulande in Gramm bemesse. Er scheint froh zu sein, wieder in der Sowjetunion zu sein, aber auch ein wenig unsicher und beklommen angesichts der neuen Situation, in der er sich auf einmal befindet.
    Sie haben inzwischen so viele Tage gemeinsam auf Reisen verbracht, dass sie sehr entspannt und ruhig miteinander umgehen. Sie fühlen sich wohl in der Gesellschaft des anderen, auch wenn ihr Leben bisher so unterschiedlich verlaufen ist. Spanien und der Krieg sind Themen, die sie beide beschäftigen, und so unterschiedlich sie auch sein mögen, so unterhalten sie sich doch viel über den Bürgerkrieg und über die persönlichen Erfahrungen, die sie dort gemacht haben.
    Svend war ziemlich überrascht zu hören, dass Mads Saboteur gewesen ist, aber es hat ihn vor allem getroffen, dass Mads tot ist. Er benutzt das Wort, ohne zu zögern. In Spanien verschwindet man nicht einfach auf dem Schlachtfeld. Schon gar nicht, wenn man Partisane ist. Entweder man liegt verwundet in einem Lazarett oder man ist tot. Bei dem Auftrag, den Mads auszuführen hatte, ist es ausgeschlossen, dass er in einem Kriegsgefangenenlager gelandet ist. Magnus weigert sich, die letzte Hoffnung aufzugeben, auch wenn er im Grunde weiß, dass Mads weg ist, und zwar für immer.
    Svend schenkt ihnen Wodka ein. »Prost, Magnus«, sagt er, »und willkommen im ersten Arbeiter- und Bauernstaat der Welt.«
    »Komm, wir trinken darauf, dass wir beide unser Ziel erreichen.«
    »In Ordnung.«
    »Bist du froh, wieder hier zu sein?«
    »Ich glaube schon. Mal sehen, wie es läuft. Mal sehen, wie es den Menschen hier geht. Es ist ja noch alles so neu, Magnus. Das hier ist eine Stadt von Bauern erster und zweiter Generation, nicht wahr? Die Revolution ist ja erst zwanzig Jahre alt. Das ist nicht viel. Hier herrscht große Hoffnung, aber sicher auch große Verzweiflung.«
    Der Wodka ist stark und brennt im Hals. Svend leert sein Glas, als wäre es dänischer Branntwein, auch wenn die Gläser sehr viel größer sind. Magnus tut es ihm gleich, und ein warmes Gefühl durchströmt seinen Körper.
    »Russischer Schnaps schmeckt gut«, sagt er.
    »Wodka schmeckt nach Russland. Sobald ich das erste Glas getrunken habe, weiß ich, wo ich mich befinde. Er tut einfach gut. Und er hält die Kälte des Winters von einem fern.«
    Alles hier ist seltsam, findet Magnus. Der Ort und das Klima. Das befremdliche Gefühl, in einer ganz anderen Welt gelandet zu sein. Das Essen ist auch sehr fremdartig, aber es schmeckt gut. Magnus mag die kräftige Rote-Bete-Suppe mit den Fleischstücken und ist ganz verrückt nach dem delikaten schwarzen Kaviar auf den Pfannkuchen, die Svend Blinis nennt.
    Magnus hat noch nie zuvor Kaviar probiert, aber es soll nicht das letzte Mal gewesen sein. Die kleinen Kügelchen zerplatzen in seinem Mund und hüllen seine Geschmacksknospen in ein wunderbar salziges Wohlbehagen. Er sagt nichts, aber Svend, der den Kaviar ebenfalls mit großem Genuss verspeist, kann ihm ansehen, dass er mit seiner Bestellung ins Schwarze getroffen hat. Svend sieht ihn stolz an, als wäre er es höchstpersönlich gewesen, der den Stör gefangen und ausgenommen hat.
    Es ist ihm wichtig, dass sein sozialistisches Vaterland einen guten Eindruck macht, denkt Magnus, aber er will seinen Reisekameraden nicht damit aufziehen. Er wirkt zu besorgt und unruhig, als dass er ihn noch zusätzlich provozierenwill. Das Hühnchen schmeckt trocken und langweilig, aber mit hundert Gramm Wodka, der seinen Körper wohlig kribbeln lässt, bekommt er es doch hinuntergespült.
    Als Svend mit seiner Schapka und Magnus mit seiner gefütterten Mütze auf dem Kopf und beide mit ihren dick gefütterten Mänteln, warmen Stiefeln und Handschuhen das Hotel verlassen, hat es aufgehört zu schneien. Magnus kann nicht länger warten. Er will das Haus sehen, in dem Irina wohnt.
    Es ist kalt, aber der Wind hat sich gelegt, sodass die Kälte einigermaßen

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