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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Grund geben.
    Svend schüttelt den Kopf und zündet sich eine Zigarette an, nur um sie gleich wieder in den Aschenbecher zu legen und ein Stück Weißbrot mit Wurst und hart gekochtem Ei zu verschlingen. Er spült es mit Tee hinunter, greift nach der Zigarette und zieht gierig daran.
    Schweigend trinkt Magnus seinen Tee und mustert dabei seinen Freund. Er lässt ihn erzählen. Svend wirkt wie ein zweifelnder Gläubiger, der die Beichte ablegt. Es tut ihm gut, alles zu erzählen und seine Ohnmacht und Verzweiflung zu benennen.
    Für Svend ist es sehr merkwürdig, dass die dänischen Kameraden, mit denen er gut befreundet gewesen war, nicht mit ihm sprechen wollten. Sie hatten natürlich davon gehört, dass man ihn aus der Partei ausgeschlossen hatte, aber sie wussten auch, dass sein Fall noch nicht endgültig abgeschlossen war. Alle hatten ihn gemieden, als wäre er ein persönlicher Abgesandter des landflüchtigen Trotzki.
    »Ich verstehe es einfach nicht, Magnus. Was passiert hier?«, sagt Svend und fährt fort, ohne eine Antwort abzuwarten. »Es gibt einen großen dänischen Parteikameraden. Arne Munch-Petersen heißt er. Ich kenne ihn noch von früher. Von ihm hatte ich mir erhofft, dass er sich für mich einsetzen würde. Er ist Mitglied des Zentralkomitees und der Parteiführung in Dänemark und kennt natürlich auch Aksel Larsen sehr gut. Larsen ist unser Vorsitzender. Da du die letzten Jahre im Ausland gelebt hast, ist er dir vermutlich kein Begriff. Arne ist ein großer Agitator und Ausbilder, und wir haben viele schöne Stunden zusammen verbracht. Von ihm habe ich viel über die theoretischen Aspekte des Marxismus-Leninismus und das stalinistische Denken gelernt. Er ist ein hochintelligenter Mann. Er hat mit seiner Frau zusammen in Zimmer 241 im zweiten Stock gewohnt. Im Lux gab es viele,die einen Decknamen trugen, weil sie in illegale Aktivitäten involviert waren. Arnes Frau war eine von ihnen. Ich gehe also zu Arnes Zimmer hinauf, aber die Tür ist versiegelt. Das NKWD hat Arne festgenommen. Ich brauche eine Weile, um herauszubekommen, was genau passiert ist. Schließlich erfahre ich, dass Arne bereits letztes Jahr im Juli festgenommen wurde. In der Nacht, bevor er nach Dänemark zurückkehren wollte. Seitdem hat niemand mehr von ihm gehört, und keiner weiß, wo er steckt. Seine Frau soll für die Partei in Spanien gewesen sein, als es passiert ist. Er ist nicht vor Gericht gestellt worden. Entweder ist er tot oder er schimmelt im Butyrka-Gefängnis vor sich hin. Arne ist verflucht noch mal ein guter Mann, Magnus. Er ist kein Volksfeind!«
    »Das ist er bestimmt nicht, aber das tut hier leider nichts zur Sache.«
    »Dich betrifft das ja alles nicht.«
    »Was diesen konkreten Fall angeht, hast du recht. Aber daraus schließen zu wollen, dass alles andere ebenfalls in Ordnung ist, ist ein großer Irrtum, mein Freund.«
    Sie sitzen eine Weile schweigend da.
    »Ich möchte dich natürlich nicht im Stich lassen«, sagt Svend schließlich, »aber ich glaube, es ist das Beste, wenn ich Moskau verlasse. Ich fühle mich hier nicht sicher.«
    »Dann kannst du also letztlich froh sein über deinen Parteiausschluss?«
    »Vielleicht.«
    »Du bist als mein Assistent akkreditiert. Du hast ein Visum, aus dem genau das hervorgeht. Damit wäre es eine Angelegenheit zwischen Dänemark und der Sowjetunion, wenn sie dich festnehmen würden. Außerdem kannst du wohl kaum parteischädigend wirken, wo man dich doch ausgeschlossen hat.«
    »Wie gesagt, die finden immer etwas. Begreifst du das nicht?«
    »Wer hat dir letzte Nacht im Hotel Lux solche Angst eingejagt?«
    »Der Ort selbst, aber auch ein alter Kamerad, mit dem ich eine Flasche Wodka geleert habe. Das löst die Zunge. Er ist Deutscher, und ich habe ihm 1935 aus Deutschland rausgeholfen, als die Nazis hinter ihm her waren. Ich bin mit einem falschen Pass nach Hannover gereist. Für ihn und seine Familie hatte ich ebenfalls falsche Pässe. So konnte ich sie nach Dänemark bringen. Das war nicht ganz ungefährlich, daher meinte er wohl, mir etwas schuldig zu sein. Er hat mir von Arne und anderen gemeinsamen Bekannten erzählt. Arne ist im Auftrag der Komintern oder der Partei unterwegs. Aksel Larsen sagt das auch. So ist es einfach. Aber es ergibt alles keinen Sinn. Sie haben jetzt sogar angefangen, Spanienveteranen zu verfolgen. Das NKWD ist ein Staat im Staat. Niemand kann sich mehr sicher fühlen. Denk nur mal an Irinas Vater. Ein beschissener Oberst beim NKWD, und

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