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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Visum, aberdamit hast du nicht automatisch auch den Ausreise-Propusk. Den bekommst du erst später, falls du ihn überhaupt bekommst. Die Ausreisegenehmigung muss in deinen Pass gestempelt werden. Und das geschieht nicht, ohne dass das NKWD seine Zustimmung dazu gibt. Ich weiß nicht, was genau du in Spanien gemacht hast, aber mein deutscher Kamerad meinte, dass das NKWD meinen Reisebegleiter und Redakteur ebenfalls sehr interessant findet. Hat man da nicht läuten hören, dass er genau in dem Moment aus dem republikanischen Spanien abgehauen ist, als man ihn festnehmen wollte, weil er als Spion für die Faschisten tätig war?«
    »Und das erzählst du mir erst jetzt?«
    Svend sieht ihn nur an, ohne zu antworten.
    »Stimmt es denn?«, fragt er schließlich, und Magnus sieht den Zweifel in seinen grünen Augen.
    »Nein. Ich habe dich nicht angelogen. Ich habe dir alles von Spanien erzählt. Dass es eine persönliche Sache war. Es geht um Mads und Irina. Das weißt du doch.«
    »Ja, das hast du mir gesagt. Und wenn ich dir nicht vertrauen kann, dann weiß ich nicht, wem überhaupt.«
    »Du kannst mir vertrauen, aber dein alter Parteikamerad weiß erstaunlich viel«, erwidert Magnus leise. Svends Nervosität ist ansteckend. Die Kopfschmerzen, die sich schon auf dem Rückzug befunden hatten, kehren mit neuer Intensität zurück.
    »Oder man hat ihn gebeten, uns etwas zu erzählen«, sagt Svend zögernd, als käme ihm dieser Gedanke erst jetzt.
    »Glaubst du das?«
    »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Ich weiß nicht mehr, wer Freund oder Feind ist oder wer einfach nur eine Höllenangst hat.«
    »Warum, Svend? Was zum Teufel ist hier los?«
    »Auf die Weise spannen sie uns auf die Folter. Ich habe keinen Pass. Du hast einen Pass und unseren Zugangs-Propuskfür die morgige Gerichtsverhandlung. Auf die Weise befinden wir uns in einem permanenten Zustand der Verwirrung und Angst. Und das ist vermutlich Sinn und Zweck des Ganzen. Vielleicht hoffen sie, dass wir irgendeine Dummheit begehen, die ihnen das Recht gibt, uns zu verhaften, ohne dass die dänische Gesandtschaft dabei etwas mitzureden hat.«
    »Und was zum Teufel machen wir jetzt?«
    »Das, was man in diesem Land zu tun pflegt. Wir warten. Ich habe den Verdacht, dass noch etwas anderes dahintersteckt. Irgendetwas ist hier nicht so, wie es sein sollte. Über das Politische hinaus, das ja vor allem mich betrifft. Denn ich verstehe nicht, warum wir beide überhaupt ein Visum bekommen haben. Warum wollten sie, dass wir ins Land kommen? Oder genauer, wer wollte, dass wir ins Land kommen? Und wer von uns beiden hat den anderen sozusagen mit hineinbefördert, weil wir unser Visum gemeinsam beantragt haben. Ich durchschaue es einfach nicht, und das macht mir Sorgen. Vielleicht sind wir in den nächsten Tagen schlauer, aber du solltest deinen Revolver laden. Ich fürchte, du wirst ihn noch gebrauchen können.«

29
    M agnus ist überrascht, als er zusammen mit Svend und den übrigen Presseleuten in den Saal geführt wird, in dem die Verhandlung gegen die Volksfeinde stattfinden soll. Er hatte sich einen düsteren Raum mit niedrigen Decken vorgestellt, aber das Gericht ist im Säulensaal im Haus der Gewerkschaften neben dem Bolschoi-Theater einberufen worden, wo ein großes Plakat anzeigt, dass man in diesen Zeiten auf das Sichere und Unschuldige setzt und ein weiteres Mal »Schwanensee« auf die Bühne des Nationaltheaters bringt.
    Magnus steht neben Svend und bewundert das Gebäude, und Svend erzählt ihm, dass er vor einigen Jahren schon einmal mit einer Gruppe Jungpioniere zu einem Konzert hier gewesen sei. Paul Keenan gesellt sich zu ihnen und macht eine große, einladende Geste, als wäre er persönlich der Urheber dieser Pracht.
    Magnus hat den Großteil des gestrigen Tages mit ihm zusammen verbracht, während Svend erst seinen Kater ausgeschlafen hat und dann in dieser geheimnisvollen Stadt verschwunden ist, die ihn offensichtlich gleichermaßen anzieht und einschüchtert. Magnus hat den ganzen Nachmittag mit Keenan, Fleming und einigen anderen britischen Korrespondenten Poker gespielt, bevor er und Keenan einen Spaziergang durch die weiße, kalte Stadt gemacht und anschließend zusammen zu Abend gegessen haben.
    Keenan ist ein interessanter Gesprächspartner, weil er intime Kenntnisse über Russland hat, die nicht nur in seiner journalistischen Laufbahn begründet sind. Seine Familiehandelt seit drei Generationen mit russischen Pelzen und Kaviar, und als Kind und

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