Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
Vom Netzwerk:
wirkenden Gebäude liegen Sandsäcke. Auf dem flachen Dach stehen zwei Luftabwehrkanonen, die ebenfalls durch Sandsäcke geschützt sind. Die Fahne der Republik flattert über der Uhr des Gebäudes. Die Bäume auf der Plaza sind wie ein Spiegelbild der gesamten verkrüppelten und zernarbten Stadt.
    Mercer zündet sich eine Zigarette an, zeigt auf das offiziell aussehende Gebäude, und bevor er seine kleine Reisetasche hochhebt, sagt er: »Da drin saß die Regierung, aber die ist nach Barcelona abgehauen.«
    Zwei bewaffnete Männer in schwarzen Uniformen gehen an ihnen vorbei und starren sie an, als wären sie potenzielle Spione.
    »Guardia Asaltos«, sagt Mercer mit seinem starken amerikanischen Akzent. »Kommunistische Sturmtruppen. Ungehobelte Kerle, die die neuesten Waffen bekommen, damit sie Anarchisten, Trotzkisten und andere innere Feinde überwältigen können. Darauf verwenden sie bald mehr Energie als darauf, gegen die Faschisten zu kämpfen. Aber vor diesen Teufeln musst du dich in Acht nehmen. Es heißt, sie hätten Gefangenenlager mit Folterkammern und allem Drum und Dran in Katalonien.«
    »In der Presse liest man aber nichts darüber. Schon gar nicht in der, die mit der Republik sympathisiert.«
    »Das ist eine alte Wahrheit, Meyer. Dass die Wahrheit im Krieg zuerst stirbt. Vor allem im Bürgerkrieg. Wir dürfen den Kampf um die Herzen in der Heimat nicht verlieren. Wir brauchen ihre Unterstützung.«
    »Wir?«
    »Fuck, nenn sie, wie du willst. Die Republik. Die Guten. Die Richtigen. Mit den Faschisten kann ich jedenfalls nichts anfangen. Du etwa?«
    »Nein, aber ich habe nicht das Gefühl, so involviert zu sein, dass ich mich auf eine Seite schlagen müsste.« Magnussieht Joe an. Er weiß nicht genau, wie er den Amerikaner einschätzen soll, dessen Aussagen gern von einem Lächeln oder einem kurzen Lachen begleitet werden. So als meine er das, was er gerade sagt, gar nicht ernst.
    »Hier unten wirst du involviert, ob du willst oder nicht. Außerdem haben wir die besten Autoren und die beste Musik, während Franco leider die besten Soldaten hat. Komm, wir gehen jetzt in unsere Unterkunft. Es kann sein, dass wir uns ein Zimmer teilen müssen, aber das bekommen wir schon hin. Kannst du die Adresse hier lesen?«
    Joe Mercer reicht ihm ein Stück Papier mit einer Adresse, das Magnus einem Mann in einer gepflegten, ordentlich gebügelten Uniform zeigt, der gerade an ihnen vorbeigeht. Der Uniformierte deutet auf die andere Seite der Plaza und verabschiedet sich mit einem militärischen Gruß.
    An der Plaza liegt auch das Post- und Telegrafenamt, das von vier Soldaten bewacht wird, die sich mit ihren Maschinengewehren hinter einer Barrikade aus Sandsäcken in Stellung gebracht haben. Mehrere der umliegenden Häuser haben Einschusslöcher. In den Straßencafés sitzen Menschen und trinken Kaffee und Brandy. Über den Tischen hängt Tabakdunst. Aus einem Tanzlokal sind pulsierende Jazzrhythmen zu hören. Viele der Männer tragen Uniform, aber es sind auch junge Frauen und Männer in Zivil unter den Gästen, Presseleute oder Schwarzmarkthändler, sagt Mercer.
    »Nichts bringt die Hormone so in Wallung wie der Krieg«, erklärt er mit seinem amerikanischen Grinsen, während sie die Plaza überqueren. »Wenn man weiß, dass man morgen schon tot sein kann, kann man heute genauso gut herumvögeln. Der Krieg ist nicht besonders förderlich für die Sexualmoral.«
    »Oder vielleicht gerade«, sagt Meyer.
    Joe Mercer grinst wieder und findet, dass Meyer wirklich ein netter Kerl ist. Er riecht nach dem Whisky, den er aus einem Flachmann trinkt, und er bietet Magnus ebenfalls davon an, der aber dankend ablehnt.
    Die Zeit ist wie Sand zwischen seinen Fingern. Sie vergeht viel zu schnell, und Magnus sieht Mads immer wieder auf dem roten Sand liegen, der noch röter wird von all dem Blut, das aus ihm heraussickert. Die Zeit lastet so schwer auf Meyers Brustkorb, dass es sich anfühlt, als würde die gesamte Luft aus seinen Lungen gepresst. Er kann nicht einfach warten, bis er Mads irgendwann findet.
    Die Wohnung ist das dritte Haus in einer Seitenstraße der Plaza. Die Frau, der sie gehört, ist ganz in Schwarz gekleidet, sie hat ein schmales, verlebtes Gesicht, und ihr Alter ist schwer zu schätzen. Sie können jeder ein eigenes Zimmer bekommen, da ein französischer Gentleman soeben nach Madrid abgereist ist. Magnus verhandelt mit der Frau über den Preis. Er findet ihn überzogen für ein schmales Bett, eine

Weitere Kostenlose Bücher