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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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gedrungene Spanier sind auf einmal die Freundlichkeit in Person, während der Mann im hellen Anzug kühl und geschäftsmäßig bleibt. Er verlangt auch Meyers Papiere und studiert sie gründlich, bevor er sie ihm zurückgibt.
    »Danke. Und mit wem habe ich soeben das Vergnügen gehabt?«, fragt Magnus auf Spanisch. Die Augen im schmalen Gesicht des Mannes sind sehr blass.
    »Kamerad Stepanowitsch, vom SIM.«
    »Komintern?«
    »Nenn es, wie du willst, Kamerad Meyer. Willkommen in Spanien. Ich hoffe, du wirst deinen Lesern die Wahrheit erzählen.«
    Der Amerikaner steckt seine Papiere in die Stofftasche zurück, lächelt Magnus an und bedankt sich. Er hat sehr weiße Zähne in seinem viereckigen Gesicht. »Joe Mercer«, sagt er und reicht Magnus die Hand.
    »Magnus Meyer.«
    »Ich bin Reporter für die ›Daily News‹«, fährt Mercer fort.
    »Dann sind wir Kollegen. Ich arbeite als Journalist in Dänemark.«
    »Freut mich, dich kennenzulernen. Hast du schon ein Hotelzimmer in dieser schönen Stadt?«
    »Nein.«
    »Dann komm mit. Es ist schwierig, hier ein Zimmer zu bekommen, aber man hat mir eine private Unterkunft empfohlen. Unsere Dollars werden uns schon ein gutes Zimmer beschaffen.«
    In Valencia wimmelt es nur so von Menschen. Vor den Bäckereien, den Schlachtereien und anderen Lebensmittelgeschäften stehen die Leute Schlange. Meistens sind es schwarz gekleidete Frauen. Sie haben müde, zerfurchte Gesichter, und sie warten geduldig. Die Bars sind voller Männer. Magnus sieht durch die geöffneten Türen, wie sie kleine Gläser mit Rotwein oder Moscatel in sich hineinschütten. Auf den Straßen begegnen ihnen Soldaten in den neuen Uniformen der Republik. Sie sehen plump aus, findet Magnus. Die Uniform besteht aus grobem Khakistoff und ist mit einem Gürtel und einem Schulterriemen versehen. Viele Soldaten haben ihren Brotbeutel mit Teller, Becher und Besteck neben zwei Feldflaschen am Gürtel hängen, und sie tragen alte russische oder tschechische Gewehre bei sich. Ihre Gesichter sind sehr jung, und sie sprechen vor allem Spanisch, aber auch Deutsch, Französisch und Englisch sind zu hören.
    Joe Mercer hat einen Karren herangewinkt, der von einem müden Maultier gezogen wird. Für eine Peseta bringt der Maultiertreiber sie über den Fluss ins Zentrum. Auf dem Weg in die Stadt sehen sie große Plakate, die vom kommenden Sieg sprechen und dazu aufrufen, auf Spione und Fünfte-Kolonne-Leute zu achten. Magnus liest »Venceremos« und »No Pasarán«. »Wir werden siegen« und »Sie werden nicht durchkommen« steht in großen Buchstaben auf den farbenfrohen, mannshohen Plakaten.Auf anderen Plakaten ist von der Revolution die Rede und von der großen und gerechten Zukunft der Republik.
    »Wohltönende Worte, für die jeden Tag Menschen sterben«, sagt Mercer ruhig. »So ist es auf beiden Seiten. Worte, die töten.«
    »Und was ist mit unseren Worten?«
    »Wir behaupten natürlich, sie würden die Wahrheit ans Licht bringen, aber sie gießen nur Öl ins Feuer. Ohne Worte kein Krieg. Wir sagen, wir kämpfen für die Gerechtigkeit. Die Faschisten behaupten, sie führen einen Kreuzzug gegen Heiden und Kommunisten. Und was verbirgt sich hinter all diesen Worten? Nichts.«
    »Das ist aber eine äußerst zynische Sicht aufs Leben.«
    Mercer grinst und sagt, während der Kutscher sein Maultier antreibt: »Das ist unser Metier, Meyer. Aus Worten bist du gemacht, zu Worten sollst du werden, und aus Worten sollst du wiederauferstehen.«
    Die Wohnung mit den Gästezimmern liegt am zentralen Marktplatz, der Plaza Castelar. Auf der Plaza befindet sich eine große Landkarte von Spanien. Das Gebiet der Faschisten ist schwarz markiert, das der Republik rot. Die schwarze Farbe hat das Baskenland überschwemmt, und die Frontlinie verläuft jetzt bei Teruel, Saragossa und Huesca. Es hat den Anschein, als breite sich die vorherrschende schwarze Farbe rasch weiter aus. Joe Mercer sagt, nach dem Fall des Baskenlandes rechne man jetzt mit Offensiven an der Aragonien-Front. Madrid sei noch immer belagert, die Republik in Bedrängnis.
    Menschengewimmel auch auf der Plaza, Pferde und kleine, zweirädrige Karren, die von Eseln gezogen werden, bewegen sich kreuz und quer über den Platz und wirbeln Staub auf. Die Plakate sprechen von Sieg und Fortschritt, von Widerstand und ewigem Kampf. Die Plaza ist groß, und man sieht, dass sie bombardiert worden ist. An einerEcke steht nur noch die Ruine eines Hauses. Vor dem Eingang zu einem offiziell

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