Die Wahrheit stirbt zuletzt
pflegen und zu warten. Auch das Faltdach ist gut in Schuss, und da nach dem Regen die Luft wieder trocken und klar und der Himmel blau und wolkenlos ist, lässt Juan Montero das Dach offen. Er lebe von den Presseleuten, sagt er. Huren und Chauffeuren beschere der Krieg ein gutes Geschäft, sagt Joe.
Montero hat eine zusätzliche Tonne mit Benzin besorgt, die er hinten auf dem Wagen befestigt hat. Magnus hat Brot, Wurst und einen stark riechenden Ziegenkäsegekauft, außerdem Tomaten, etwas Olivenöl, zwei Ledersäcke mit kräftigem Rotwein und zwei Säcke klares Wasser sowie einen Beutel Apfelsinen.
Es sind knapp zweihundert Kilometer bis Albacete, und da die Fahrt den ganzen Tag dauern wird, brechen sie frühmorgens auf, als die Sonne nur als dünner Streifen am Horizont zu erahnen ist und die morgendliche Kühle davon zeugt, dass der kurze Herbst nun ernsthaft seinem Ende entgegengeht. Montero lenkt den Wagen in Richtung Süden und fährt aus Valencias trister Kriegsarmut heraus und die staubige Landstraße entlang nach Albacete in der Region La Mancha.
Mercer ist ein angenehmer Reisebegleiter während der langen Fahrt, bei der der Staub durch alle Ritzen hereindringt. Sie sprechen nicht über ihre neue Partnerschaft, sondern vor allem über Mercer und sein Verhältnis zu Spanien. Er ist mehrmals an der Front gewesen und hat zusammen mit den Soldaten in den Schützengräben gelegen. Es ist gut möglich, dass er Geheimagent ist, aber er achtet sorgfältig auf seine Tarnung als Journalist. Auch wenn er behauptet, es sei ihm gleichgültig, wer den Krieg gewinne, kann er seine Sympathie für die republikanische Seite nicht verbergen.
Magnus muss ihm recht geben. Ihm geht es genauso. Er will sich nicht hineinziehen lassen, aber seine Sympathie gilt der Republik, und wenn es nur aus dem Grund ist, dass Mads für sie kämpft. Er hofft trotz allem, dass Franco am Ende besiegt wird, und verleiht dieser Hoffnung auch Ausdruck.
Mercer stimmt ihm zu, aber er ist Pessimist. Er fürchtet, die interne Zersplitterung könne den Untergang der Republik bedeuten. Er sagt, er sei weit davon entfernt, ein Kommunist zu sein, aber die Kommunisten hätten recht: Ohne Disziplin gehe es nicht. Mercer hat nicht viel übrig für die Milizen mit ihren blauen Overalls, roten Halstüchernund kecken Baretts, für ihre hochtrabenden Worte und ihren dummdreisten Mut.
Zweimal müssen sie an Straßensperren anhalten. Ihre Papiere sind in Ordnung, und dank der Dokumente und Meyers fließendem Spanisch lässt man sie ohne Probleme passieren. Zuerst fahren sie durch Gebiete, in denen Zitrusfrüchte angebaut werden. Die Apfelsinen leuchten gelb in den grünen Bäumen. Sie kommen nur langsam voran, weil der Chauffeur die ganze Zeit auf Eselkarren oder Maultiere Rücksicht nehmen muss, die mit den gelben Früchten beladen sind. Das große Auto überwindet mühelos eine niedrige Bergkette, auf der sie eine Kolonne marschierender Soldaten überholen, die ihren rechten Arm mit zur Faust geballter Hand zum Gruß erhebt.
Unten auf der anderen Seite wirkt die Landschaft vertrocknet und kaum nutzbar. Sie sieht aus wie eine Wüste, und in der kaum vorhandenen Vegetation liegen große, kantige Felsstücke. Außer ihnen sind hier nur Militärtransporte in der Gegenrichtung unterwegs, deren Wagen in Wolken weißlichen Staubs gehüllt sind, wenn sie an ihnen vorbeifahren. Sie trinken den Wein und das Wasser aus den Ledersäcken, in denen die Getränke kühl bleiben, und Magnus genießt den inzwischen lauen Wind auf seinem Gesicht, wenn sie dort, wo kein störender Staub aufgewirbelt wird, mit offenem Dach fahren. Sie kommen durch Gebiete, in denen früher einmal Landwirtschaft betrieben wurde, jetzt aber nur wenige Menschen auf den weiten Feldern zu sehen sind. Die kleinen Dörfer wirken verlassen und menschenleer. Niedrige graue Häuser tauchen aus dem Nichts auf, verrammelt und abweisend. Wo sind die Menschen? Einmal sehen sie einen Mann, der mit einem dünnen Stock auf einen mageren Esel einschlägt, um ihn dazu zu bewegen, einen mit Gras beladenen Karren zu ziehen. Der Esel rührt sich jedoch nicht vom Fleck. Die Kreatur dreht bloß den Kopf nach ihnen um undsieht ihnen hinterher, bis sie aus ihrem Blickfeld verschwinden, als sie um eine Kurve biegen und langsam die gewundene Straße hinauffahren.
Gegen Mittag erreichen sie die etwas größere Stadt Requena. Dort ist der Verkehr vollkommen zum Erliegen gekommen, da Lastwagen, von Pferden gezogene
Weitere Kostenlose Bücher