Die Wahrheit stirbt zuletzt
die Fortsetzung.
»Ein Teil fehlte. Um genau zu sein, fehlten zweiundfünfzig Kilogramm seltene portugiesische Goldmünzen, deren Wert viel, viel höher ist als ihr reiner Goldwert. Sie waren ein Teil der insgesamt dreihundertachtzehn Kilo portugiesischer Münzen, die in Madrid eingepackt wurden. Außerdem fehlte eine Kiste mit Golddukaten, die noch einmal etwa fünfzig Kilo ausmachte. Bei einem Gesamtgewicht von fünfhundertzehn Tonnen klingt das vielleicht vernachlässigenswert, aber glaub mir, Magnus, diese hundertzwei Kilo stellen ein verfluchtes Vermögen dar.
Sie haben es erst in Moskau bemerkt. Den Russen ist es gar nicht aufgefallen, aber den Spaniern. Sie haben jedoch nichts gesagt und sich entschlossen, das Problem mit nach Hause zu nehmen, um die Angelegenheit dort diskret zu untersuchen. Wer steckte dahinter? Die Republik war in Bedrängnis, daher wollte man einen Skandal und noch mehr interne Streitigkeiten vermeiden, als es ohnehin schon gab, also …«
»Wo ist es?«, fragt Magnus und spürt seinen Puls schneller schlagen.
»Das ist genau die Frage, mein Freund. Wo ist es?«
»Du weißt es.«
»Ich weiß es beinahe. «
»Deshalb warst du in Malaga. Auf der anderen Seite, drüben bei den Faschisten.«
Mercer grinst und dreht den Kopf zur Seite, dann schaut er Meyer wieder in die Augen. Sein Blick ist trotz seiner Trunkenheit berechnend. »Du bist ein schlaues Kerlchen, Magnus.«
»Warum erzählst du mir das alles?«
»Ich brauche Hilfe. Ich brauche jemanden, der Spanisch spricht und auf den ich mich verlassen kann. Jemanden, dem es ebenso wie mir scheißegal ist, wer diesen Krieg gewinnt. Ich brauche jemanden, der in erster Linie an sich selbst denkt.«
»Und das tue ich?«
»In erster Linie schon, glaube ich, aber wohl auch noch an etwas anderes.«
»Ich bin hier, um meinen kleinen Bruder zu finden und ihn nach Hause zurückzuholen«, gibt Magnus zu.
»So etwas habe ich mir schon gedacht. Das ist Beihilfe zur Desertion. Dafür wird man erschossen.«
»Mein Bruder ist als Freiwilliger hier.«
»Sie werden ihn und dich trotzdem erschießen.« Mercer erhebt sein Glas. »Und, was sagst du? Bist du dabei?Sonst vergiss das alles einfach ganz schnell wieder und hak es als das Geschwätz eines Besoffenen ab.«
»Ich muss meinen Bruder finden.«
»Das eine muss das andere doch nicht ausschließen.«
»Und wie teilen wir dann?«
Mercer muss lachen: »Die Frage habe ich erwartet. Halbe-halbe. Das ist nur fair. Es ist so viel, dass wir es uns viele Jahre lang gut gehen lassen können.«
Magnus lehnt sich zurück und leert sein Glas. Ihm schwirrt der Kopf, aber er fühlt sich eher euphorisch als betrunken. Er nimmt das Adrenalin als einen angenehmen Rausch wahr. »Ich bin dabei«, sagt er. »Was wolltest du in Malaga? Auf der anderen Seite?«
Mercer zündet sich eine neue Zigarette an: »Vor ein paar Monaten habe ich einem armen Schwedisch-Amerikaner namens Olaf geholfen, einen letzten Brief an seine Liebste und an seine Eltern drüben in den Staaten zu schreiben. Die Wunde an seinem Bein hatte sich mit dem kalten Brand infiziert, er hatte Fieber und was weiß ich noch alles und zitterte so, dass er nicht einmal einen Bleistift halten konnte. Er redete sehr wirr, aber so viel habe ich doch verstanden, dass er seinen Dienst zusammen mit zwei Spaniern tat, die den Goldtransport eskortiert hatten. Der eine, Pedro, ist abgehauen und wurde erschossen, als er versuchte, auf die andere Seite zu gelangen, der Idiot. Der andere, der Manuel hieß, vertraute sich Olaf an und erzählte ihm, dass sie zusammen mit zwei anderen Soldaten den Befehl erhalten hatten, zwei Kisten aus dem Hafengebiet in einen schwarzen, geschlossenen Wagen zu laden, der von einem Russen und einem Spanier in Zivil gefahren wurde. Die Fahrer sprachen Englisch miteinander. Man hatte die Soldaten wissen lassen, dass man sie erschießen würde, sollten sie je auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verlieren. Manuel und Pedro fürchteten um ihr Leben, als sie mitbekamen, dass die beidenanderen Soldaten, die an der Aktion beteiligt gewesen waren, zwei Tage später tot aufgefunden wurden. Man hatte sie stranguliert und im Hafen von Cartagena ins Wasser geworfen. Daraufhin war Pedro abgehauen, während Manuel bei einer der Internationalen Brigaden Zuflucht gesucht hatte, weil er hoffte, dass die Auftragsmörder ihn dort nicht erwischen würden. Das taten sie dann doch, aber vorher hatte er noch Gelegenheit, Olaf seine Geschichte zu
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