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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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kann sich an das Treffen erinnern. Giacomo und seine engsten Mitarbeiter hatten lange über die Risiken gesprochen, die diese Geschäftsgespräche in Chicago bedeuteten, aber sie hatten zufriedenstellende Garantien für ihre Sicherheit erhalten. Magnus hatte an dem einen Ende des leeren Restaurants gestanden, der Leibwächter der Chicago-Gruppe an dem anderen. Außerdem waren Geiseln ausgetauscht worden, die sich an sicheren Orten in New York beziehungsweise Chicago befanden. Magnus war nicht davon in Kenntnis gesetzt worden, worum es bei diesem Geschäftstermin ging und wer der Mann aus Chicago war. Es ging ihn auch nichts an. Es war schon immer ein guter Grundsatz gewesen, nicht mehr zu wissen als unbedingt nötig. Er musste nur bereit sein, für Giacomo zu sterben, und vor allem so aussehen, als wäre er dazu bereit.
    Joe sieht ihn an und macht eine Pause, damit Magnus das Chicagoer Treffen Revue passieren lassen kann, bevor er fortfährt: »Mein Boss war sehr paranoid. Zu Recht, wie sich zeigen sollte. Sein eigener Bruder hat ihn später mit einer Klaviersaite erdrosselt, aber das ist eine andere Geschichte. Wie alle anderen haben sie es während der Prohibitionszeit zu richtig viel Geld gebracht. Das waren die fetten Jahre, bis das Arschloch Roosevelt dem Ganzen ein Ende bereitet hat. Ich stand da und betrachtete dich und habe mich erkundigt, wer du bist. Du hast tough ausgesehen. Auf eine andere Weise cool als die Dagos. Und du warst blond. Es kommt nicht gerade oft vor, dass die Spaghettifresser coole blonde Jungs einstellen, nicht wahr, Magnus?«
    »Nein. Das tun sie wohl nicht. Und wer war dein Boss, Joe? Ich kann mich nicht daran erinnern.«
    »Das spielt keine Rolle. Er ist, wie gesagt, tot, aber wirhaben von Chicago aus agiert. Es gab keine Meinungsverschiedenheiten mit euch, es war also ein reines Geschäftstreffen. Das hat heute keinerlei Bedeutung mehr.«
    »Nicht, wenn die auch an unserem Geschäft beteiligt sind. Ich habe dich das früher schon einmal gefragt. Sind noch andere beteiligt, die dann ihren Anteil haben wollen?«
    »Nein, Magnus. Außer uns ist niemand beteiligt. Die Zeiten sind vorbei.«
    »Die Zeiten sind nie vorbei.«
    »Diese sind es.«
    »Und wie bist du dann hier in Spanien mit der ›Familie‹ in Kontakt gekommen?«
    »Ich habe meine Verbindungen. Vertrau mir einfach, Partner.«
    »Gerade das ist nicht so leicht, verstehst du? Was ist wahr, und was ist richtig?«
    »Die Wahrheit ist die Lüge, die du zur Wahrheit machst. Was zum Teufel ist das denn für eine Frage?«
    »Hör auf mit dem Mist, Joe. Wer bist du eigentlich? «
    »Fuck, Magnus. Ich war Reporter. Ich bin ein ziemlich guter Journalist, auch wenn das zunächst nur als Tarnung gedacht war. Und eines Tages werde ich meinen Roman schreiben, darauf kannst du Gift nehmen. Wenn ich genügend Geld in der Tasche habe, werde ich mich in ein Haus am Pazifischen Ozean zurückziehen und einen verdammt guten Roman schreiben. Darauf kannst du dich verlassen, Partner.«
    Magnus schüttelt den Kopf und sagt: »Du bist ein Mistkerl, Joe. Aber irgendwie vertraue ich dir jetzt mehr als vorher. Und morgen? Ist das auch ›Familie‹?«
    »In gewisser Weise. Nicht ganz, aber doch so etwas Ähnliches.«
    »Woher kennst du sie, Joe?«
    »Hör mal. Sie geben Entwarnung. Hörst du? Es warwohl kein schlimmer Angriff heute Nacht. Lass uns hier verschwinden. Du wirst schon noch verstehen, wie das alles zusammenhängt, wenn die Zeit reif ist.«
    »Und darauf kann ich mich verlassen?«
    »Auf Onkel Joe kannst du dich immer verlassen«, sagt er und klopft Magnus mit einer übertriebenen Geste auf die Schulter, bevor er aufsteht und sich in Richtung Ausgang schiebt, von wo das Entwarnungssignal der Luftabwehr bei den Menschen, die in diesem Schutzraum in Cartagena eingepfercht sind, eine kollektive Welle der Erleichterung auslöst.

20
    E s gelingt Magnus nicht, weitere Informationen aus Joe herauszuholen, als sie im Columbus noch einige Drinks zu sich nehmen. Das Café ist jetzt gut besucht von Männern und einigen Frauen, die ebenfalls das Bedürfnis und das nötige Geld haben, sich hier von den Aufregungen zu erholen, auch wenn es vermutlich die Offiziere in Uniform sind, die die Getränke bezahlen.
    Die Stadt riecht nach Sprengstoff. Ziegelstaub hängt in der Luft, aber augenscheinlich sind die meisten deutschen Bomben im Meer eingeschlagen oder am Rand der Stadt. Es riecht auch nach dem Rauch einiger Brände, die sich an den Resten der heißen

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