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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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bombardieren alles. Man sagt, es habe mindestens vierzig Angriffe gegeben. Sie setzen auch die neuen He-111-Bomber ein, die Junkers mit Brandbomben und die Stukas, diese laut aufheulenden Sturzkampfflugzeuge. Die Deutschen haben Pfeifen daranmontiert, sodass sie wie Wölfe heulen, wenn sie auf Städte oder Soldaten hinunterstürzen. Bei Madrid habe ich sie aus einigem Abstand gehört. Sie sind verflucht furchteinflößend. Das bedeutet auch, Bombenangriffe während der Nacht. Krieg führt man doch verdammt noch mal bei Tage, aber die kommen mit Vorliebe in mondhellen Nächten wie dieser. Aber weißt du, was das Schlimmste ist? Nein? Habe ich’s mir doch gedacht. Dass ich meinen verflixten Flachmann im Hotel vergessen habe.«
    Magnus muss grinsen, antwortet aber nicht. Sie sitzen schweigend da und rauchen.
    Die Grotte ist angefüllt von Gemurmel und kollektivem Seufzen über die vielen Füße und Körper hinweg, die ununterbrochen kleine, rastlose Bewegungen machen, als gehörten sie zu einem einzigen großen Organismus. Das Heulen der Sirenen hat aufgehört, sodass sie die Schüsse der Luftabwehr über der Stadt hören können, jedoch nicht den Lärm von Flugzeugen oder Explosionen. Vielleicht schießen sie einfach nur, weil ihnen das ein gewisses Gefühl der Sicherheit gibt und den Eindruck vermittelt, dass sie zumindest etwas tun.
    Die ersten Einschläge sind als hohles Dröhnen zu hören und als leichtes Beben der Felswände zu spüren. Einige Minuten lang kehren die Einschläge regelmäßig wieder und erschüttern die Felswände, vor allem aber die Menschenmenge, die jedes Mal, wenn es in der Ferne und doch viel zu nah kracht, zu zittern beginnt. Magnus kann sich vorstellen, woran sie alle denken. War das gerade mein Haus oder das des Nachbarn?
    Dann wird es still. Magnus lehnt den Kopf gegen die Felswand hinter sich und versucht zu denken, aber in ihm ist nichts als Angst. Das Weinen eines Kindes und das Schluchzen einer Frau sind zu hören, aber sonst sind die Menschen hier eine einzige gemeinsam atmende Stille. Langsam fangen sie wieder an, miteinander zu sprechen. Es ist ein leises Murmeln, das sich vervielfältigt und sich wie ein schützender Klangteppich um die steifen Körper legt.
    Joe zündet zwei neue Zigaretten an, reicht Magnus eine und sagt: »Du glaubst, es geht hier um Helden und Schurken, um Freiheit und Tyrannei. Um Sozialismus oder Kommunismus oder den beschissenen Faschismus. Aber darum geht es überhaupt nicht. Der Mensch ist ein gieriges Wesen und denkt immer vor allem an sich selbst.Ideologien kommen und gehen, Magnus. Aber eine Sache gibt es schon seit Anbeginn der Zeit. Das ist die Kriminalität.«
    »Was willst du mir damit sagen, Joe?«
    »Jetzt halt mal die Klappe, Magnus, und hör zu, was ich sage. Wer war der erste Kriminelle auf der Welt? Eva, die Adam mit dem Apfel verführt hat? Oder Kain, der seinen Bruder erschlagen hat? Wessen Geschäft, glaubst du, läuft selbst während des Krieges auf Hochtouren? Das der Kriminellen. Glaubst du wirklich, die Unterwelt ist verschwunden, nur weil wir uns mitten in einem Bürgerkrieg befinden? Unser Freund von heute Abend kommt aus dieser Welt, und er wurde von einem geschickt, der dort weiter oben auf der Leiter steht. Du kennst das System, nicht wahr? Du bist selbst ein Eingeweihter. Du hast für Don Giacomo gearbeitet. Du kennst das Gesetz der omertà, und du weißt, was mit denen passiert, die gegen das Gesetz des Schweigens verstoßen.«
    Magnus rückt ein Stück von ihm weg und sieht ihn mit einer Mischung aus Verwunderung und Verärgerung an, weil diverse Erinnerungen unaufgefordert in seinem Kopf auftauchen. Seine Stimme klingt seltsam, als er fragt: »Dann war unser Treffen im Flughafen von Valencia kein Zufall?«
    »Ja und nein, Partner. Ich habe dich im Flugzeug gesehen und habe dich Spanisch sprechen hören und sofort gedacht, das ist mein Mann. Das ist der Dolmetscher, den ich die ganze Zeit gesucht habe. Es war, als hätte ich das fehlende Ass für meinen Royal Flush gezogen. Das passiert einem bestenfalls einmal im Leben, aber wenn sich einem die Chance bietet, ergreift man sie natürlich.«
    »Ich habe dich vorher noch nie gesehen.«
    »Nein, aber ich habe dich gesehen. Du warst Giacomos Bodyguard, als er ein Treffen mit meinem Boss hatte. Das war in einem italienischen Restaurant in Chicago. Kannstdu dich an das Lokal erinnern? Es gab einen großen Spiegel hinter der Bar. Das war ein durchsichtiger Spiegel.«
    Magnus nickt. Er

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