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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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umgeben von weitläufigen, gut einsehbaren Ebenen. Aber vielleicht kommt er auch ganz bewusst allein, weil er seine Reiseversicherung mit niemand anderem als seinen engsten Familienmitgliedern teilen möchte, mögen sie nun Blutsverwandte sein oder nicht.
    Magnus entdeckt jetzt doch einen vierschrötigen jungen Mann. Er steht etwas weiter hinten in der Nähe einiger großer Büsche unter einer verkrüppelten Palme. Mit seinem blauen Overall und dem schmalen Gürtel hat er sich ebenfalls wenig überzeugend als republikanischer Milizsoldat verkleidet. Auch er trägt eine Pistole in einem Holster auf der Hüfte. Außerdem hat er ein Gewehr mit kurzem Lauf dabei, das in seiner Armbeuge ruht.
    »Du hast die Artillerie mitgebracht, Don Ramon«, sagt Joe auf Englisch.
    Noch bevor Magnus ein einziges Wort übersetzen kann, fängt der Spanier an, ein schnelles Spanisch mit andalusischem Einschlag zu sprechen. Es klingt ein wenig wie das Spanisch, das Magnus aus Südamerika kennt. Das ist die Sprache, die die Konquistadoren damals mit außerLandes genommen haben, denkt er, die harten Männer aus der Estremadura oder von den sonnenverbrannten Ebenen Andalusiens. Männer mit einer Haut und einer Seele aus Leder.
    »In diesen Zeiten muss man sich absichern, Don Mercer. Wer ist dein Freund?«
    Magnus reicht ihm die Hand. Er spürt die raue Haut von Don Irribarnes Händen. Er geht nicht nur wie ein Boxer, er hat auch die Pranken eines Boxers. »Don Ramon Irribarne, mein Name ist Magnus Meyer. Ich bin Joe Mercers Partner und Freund und spreche Ihre Sprache. Ich habe die Ehre zu helfen, damit Missverständnisse gleich welcher Art gar nicht erst aufkommen.«
    Ramon lässt seine Hand los. Seine Augen sind klein, aber erstaunlich grün und ruhig, und sie halten dem Blick seines Gegenübers ohne Probleme stand, als er sagt: »Sie sprechen ein ausgezeichnetes Spanisch, aber mit einem Akzent, als kämen sie von der anderen Seite des Meeres, was man bei einem, wie soll ich sagen, Ausländer nicht gerade erwarten würde.«
    »Gringo?«
    »Gringo! Warum nicht? Sehr treffend gesagt.«
    »Ich habe es in Argentinien gelernt.«
    »Das erklärt alles.« Ramon macht eine Pause, bevor er sich halb zu Joe umdreht und sagt, während Magnus, so gut er kann, simultan übersetzt: »Ich möchte mich für unsere Zusammenarbeit bedanken, denn uns bleibt nicht viel Zeit. Ich muss diese Stadt sehr schnell verlassen und am besten auch dieses heimgesuchte und unselige Land, in dem ich unglücklicherweise geboren wurde. Ich verkaufe meine Ware zu einem niedrigen Preis, aber es ist ein fairer Preis, wenn man an die harten Zeiten und den verfluchten Krieg denkt, in dem man nicht mehr unter anständigen Bedingungen Geschäfte machen kann. Ich weiß, dass Don Mercer ein Mann von Ehre ist, aber ichmuss Sie dennoch darum bitten, mir die Barzahlung und den Kreditbrief vorab zu geben. Danach werde ich Ihnen die Ware zeigen. Beim Abtransport kann ich Ihnen leider nicht behilflich sein.«
    Joe zieht seine Schultertasche nach vorn, sodass sie vor seinem Bauch hängt, und öffnet die Lederschnallen.
    Magnus bemerkt, wie Ramon kurzzeitig erstarrt. Unter der coolen Oberfläche verbirgt sich ein äußerst nervöser Mann. Trotz des kühlen und zugleich milden Windes vom Meer hat er Schweißperlen auf dem Gesicht. Der jüngere Mann hat einen Schritt auf sie zu gemacht, aber Magnus sieht, wie er gleichzeitig darauf achtet, dass keine weiteren Personen den Berg der Empfängnis erklimmen. Er sichert ihre Flanke. Wieder ist Magnus froh, den beruhigenden Druck des Revolvers in seinem Rücken zu spüren.
    Joe hat inzwischen seine Tasche geöffnet. Ramon betrachtet die gebündelten amerikanischen Dollarscheine. Es sind Zehn- und Zwanzigdollarnoten. Joe nickt auffordernd, und Ramon nimmt ein beliebiges Bündel und lässt die Scheine durch die Finger gleiten, um sich zu versichern, dass es wirklich Geldscheine sind und nicht etwa gewöhnliches Papier. Er lächelt und reicht Mercer das Bündel zurück.
    Joe zieht aus seiner Schultertasche einen dicken, eleganten Umschlag. Darin befindet sich ein Brief, auf edlem Büttenpapier geschrieben. Als Briefkopf steht dort »Bank of America« sowie eine Adresse, es folgen ein Text auf Englisch und einer auf Spanisch, die besagen, dass der Besitzer dieses Briefes das Recht habe, zehntausend US-Dollar abzuheben. Es sind eine Kontonummer und ein Kodewort angegeben, die im Falle einer Überweisung oder der Aufnahme eines Kredits anzugeben sind. Das

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