Die Wahrheit über Alice
sie sei schlecht für ihn, als Alice
mit dampfenden Tassen wieder hereinkommt.
«Danke.» Robbie streckt die Hand aus, um seine Tasse zu nehmen, und Alice bückt sich und küsst ihn zärtlich.
«Du bist ein Engel, Robbie. Ein Stern», sagt sie. Robbie verdreht die Augen, aber er freut sich über ihre Zärtlichkeit, das
sehe ich in seinem Gesicht.
Sie reicht mir meine Tasse. «Und Sie, Miss Katherine. Sie sind sagenhaft.»
Ich lächle und nippe an meinem Tee.
Alice setzt sich, beugt sich vor, das Gesicht voller Leben. «Vorhin in der Küche hab ich nachgedacht. Ich hab gedacht, wie
cool es ist, dass wir drei uns gefunden haben. Ich meine, ich weiß, es klingt wahrscheinlich kitschig, aber wir kommen doch
richtig gut miteinander aus, oder? Ich meine, wir passen einfach irgendwie zusammen, wie … ach, keine Ahnung … wie Puzzleteilchen. Wir verstehen uns total.» Sie lächelt und blickt plötzlich verlegen nach unten. «Das wollte ich bloß
sagen. Und auch, dass ihr beide mir ehrlich wichtig seid. Meine besten Freunde auf der Welt.»
Es tritt einen Augenblick Stille ein, dann schlägt Robbie sich mit einer Hand klatschend aufs Knie und prustet los. «Puz zleteilchen ? Hab ich das richtig gehört? Hast du das wirklich gesagt?» Er sieht mich an, und in seinem Gesicht spiegelt sich jetzt pure
Freude, der Kummer von vorhin ist wie weggeblasen. «Hat sie?»
«Sie hat.» Ich nicke. «Ich glaube, sie hat.»
«O Gott.» Alice versteckt ihr Lächeln hinter einer Hand. «Okay, ich hab’s gesagt. Aber zu meiner Verteidigung, ich wurde |61| von einer Mutter großgezogen, die Schnulzen wie
Zeit der Sehnsucht
zum Frühstück, zum Mittag- und zum Abendessen verschlungen hat. Ich kann nichts dafür, dass ich ein wandelndes Klischee bin.
Es ist borniert und gemein, wenn du deshalb über mich lachst, Robbie, und dabei wirfst du mir das ständig vor. Du Heuchler!»
«Pech!» Robbie schüttelt den Kopf. «So viel Schmalz hat kein Pardon verdient. Absolut keins!»
«Okay», sagt Alice und lacht jetzt. «Okay. Ihr habt mein schmutziges Geheimnis entdeckt. Ich bin ein Coffs-Mädchen, durch
und durch. Kann nichts dafür. Deshalb will ich auch nicht dahin. Ich versuche, mich der Macht zu entziehen, die das Kaff über
mich hat.»
«Hab ich’s doch gewusst. Du bist ein heimlicher Margarine-Fan, nicht?», sagt Robbie.
Und wir drei lachen, bis wir nicht mehr können, und dann noch mehr.
«Ehrlich gesagt –», Alice lässt den Kopf hängen und spielt die Verlegene, «ich bügele auch für mein Leben gern Falten in meine Jeans. Ich
muss mich zwingen, es nicht zu tun. Es ist schwer, aber ich mache Fortschritte. So langsam komme ich dagegen an.»
Und wir foppen uns gegenseitig und lachen und schmieden Pläne für unseren Wochenendtrip. Ich vergesse, was Robbie über Alice
gesagt hat. Ich denke nicht mehr daran, ihn noch einmal danach zu fragen. Alice hat eben ein paar Macken. Haben wir die nicht
alle? Ich bin einfach zu glücklich, um mir deshalb Gedanken zu machen. Ich amüsiere mich viel zu sehr, um auf die winzig kleine
warnende Stimme zu hören, die sich in meinem Kopf meldet.
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U nd was ist dann passiert?» Carly beugte sich vor, die Augen vor Neugier weit aufgerissen. «Los. Du kannst doch jetzt nicht
aufhören.»
Aber da tauchte Rachel in der Tür auf. Ihr Pyjama war zerknittert und ihr Gesicht rot und fleckig. Ich sah ihr an, dass sie
geweint hatte.
«Rach?» Ich streckte den Arm aus. «Was ist denn?»
«Ich hatte wieder einen bösen Traum.»
«O Mann. Komm her. Komm, setz dich zu uns.» Ich lächelte Carly entschuldigend an. Ich war dabei gewesen, ihr von dem Abend
zuvor zu erzählen, den ich mit meinem Freund Will verbracht hatte. Wir hatten uns geküsst und gestreichelt und hätten fast
miteinander geschlafen. Carly hatte jede Einzelheit hören wollen.
Carly war meine beste Freundin. Sie war laut und direkt und lustig. Als sie auf unsere Schule gekommen war, fand ich sie auf
Anhieb unausstehlich. Ich hielt sie für eine Angeberin und fand ihre Witze lahm. Sie konnte mich am Anfang auch nicht besonders
leiden und erzählte mir später, dass sie mich für eine, wie sie es ausdrückte, schnöselige, hochnäsige Ziege gehalten hatte.
Freundinnen waren Carly und ich erst im Schulcamp in der Siebten geworden, als wir eine grässliche Woche Kälte, Nässe, Hunger
und Unbehagen aushalten mussten, die uns dabei helfen sollte, «zu uns selbst zu finden». Carly und ich
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