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Die Wahrheit über Alice

Die Wahrheit über Alice

Titel: Die Wahrheit über Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca James
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freitäglichen Rushhour ist es noch lange hin. Im Auto ist Sarah ganz
     still. Sie sitzt da und starrt zum Fenster hinaus, den Daumen im Mund, in sich zusammengesunken und entspannt, wie in Trance.
     Sie war schon immer so bei Autofahrten, und wenn sie als Baby nicht einschlafen wollte oder weinte, habe ich sie mit dem Auto
     herumkutschiert, und sie wurde sofort ruhig.
    Ich bin vorsichtig auf dem Highway unterwegs und halte mich so weit wie möglich von anderen Autos fern. Ich beherzige die
     Lektionen meines Vaters über defensives Fahren. Dad wollte mir diesen Ausflug ausreden. Auf den Straßen wird die Hölle los
     sein, sagte er, die schlimmsten Fahrer, die größten Idioten fahren am Wochenende da runter. Und du bist es nicht gewohnt,
     unter solchen Bedingungen zu fahren. Er sprach ganz abgehackt dabei: Sei nicht so dumm. Aber ich sah die Tränen in seinen
     Augen, seine zitternden Hände.
    Ich verstehe seine Panik – es kommen jeden Tag Menschen auf den Straßen um. Ein kleiner Fehler, eine falsche Entscheidung,
     eine Sekunde unkonzentriert – und schon kann es passieren, dass man einem der vielen rasenden Trucks in die Quere kommt, von
     denen es auf diesem Highway nur so wimmelt. Zwei Menschenleben mehr ausgelöscht, eine bereits beschädigte |55| Familie zerstört. Mein Vater weiß besser als die meisten, dass das Unvorstellbare passiert. Er weiß, dass Albträume nicht
     nur eine Möglichkeit, sondern auch Realität sind.
    Also halte ich seinetwegen die Augen stur auf die Straße gerichtet, die Hände fest am Lenkrad, voll konzentriert. Es sind
     die Ängste meines Vaters, die mich davon abhalten, das Gaspedal durchzutreten.

|56| 8
    N ein nein nein nein nein. Nicht Coffs Harbour. Kommt nicht in Frage.» Alice schüttelt den Kopf. «Es ist absolut ätzend da,
     nur fette Leute. Und keine vernünftigen Restaurants.»
    «Fette Leute?» Robbie schüttelt den Kopf. «Du kannst manchmal ganz schön gemein sein, Alice.»
    «Das ist nur die Wahrheit. Es ist ein Kaff. Und wenn du Strandurlaub machen willst, ist Coffs sowieso nicht die beste Adresse.
     Da gibt’s ja nicht mal Unterkünfte direkt am Wasser. Zwischen den Häusern und dem Strand läuft eine Bahnlinie. Es ist echt
     beknackt da. Glaubt mir. In Coffs Harbour wimmelt es von Idioten, von Leuten, die Margarine essen statt Butter und die sich
     Falten in die Jeans bügeln. Meine Eltern fanden es immer toll da. Das sollte uns Abschreckung genug sein.»
    Alice hat mir kaum was über ihre Eltern erzählt, und ich frage mich, wie ihr Verhältnis zu ihnen sein mag. Hin und wieder
     spricht sie mit deutlich spürbarer Liebe und Bewunderung von ihrer Mutter, und dann wieder ist sie verächtlich, fast grausam.
     Wenn sie sich über ihre Eltern lustig macht – ihre Armut, ihren schlechten Geschmack, ihre Dummheit   –, entsetzt es mich immer, wie herzlos sie über ihr eigen Fleisch und Blut spricht.
    Wir drei planen einen gemeinsamen Wochenendtrip. Ich freue mich drauf und stelle mir ein paar Tage mit Schwimmen und Essen
     und Quatschen vor. Aber wir können uns nicht einigen, wohin es gehen soll – und wir haben ein kleines Budget, was es noch
     schwieriger macht, dass Alice so wählerisch ist.
    |57| Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil meine Eltern ein Haus in den Blue Mountains haben, in das sie ab und zu übers Wochenende
     fahren. Es ist ein schönes Haus, modern, mit viel hellem Holz und Edelstahl, einem offenen Wohnbereich und einer atemberaubenden
     Aussicht auf die Berge. Mein Vater hat es entworfen und dabei alles berücksichtigt, was ihm bei Häusern wichtig ist: Komfort
     und Stil, klare, gerade Linien und vor allen Dingen sehr viel Licht und Luft. Außerdem gibt es einen Swimmingpool und einen
     Tennisplatz, sodass man sich nie langweilt, und das über zwei Hektar große Grundstück, auf dem das Haus steht, ist durch eine
     dichte Wand aus Koniferen vor fremden Blicken geschützt.
    Meine Eltern wären froh, wenn ich es benutzen würde. Sie schlagen oft vor, ich solle doch mit Freunden übers Wochenende hinfahren.
     Ich weiß, sie wären begeistert von der Vorstellung, dass ich es mir dort gutgehen lasse. Aber ich glaube, ich könnte es nicht
     ertragen. Ich war nur einmal dort, seit Rachel gestorben ist – ein paar Monate nach ihrem Tod, als Mum und Dad und ich noch
     unter Schock standen und uns verhielten wie die ziellosen, verlorenen Seelen, die wir auch waren. Und es war so unglaublich
     schmerzhaft, ohne Rachel in dem Haus zu sein. Ihre

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