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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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Ahnung! Das ist wirklich ein Rätsel. Es ist ein riesiger Safe aus Gusseisen, ich bewahrte darin die gesamte Buchhaltung des Clark’s, die Lohngelder und ein paar Barmittel für die Bestellungen auf. Eines Morgens ist mir aufgefallen, dass das Blatt nicht mehr da war. Nichts deutete auf einen Einbruch hin. Alles war da, bis auf dieses gottverdammte Blatt Papier. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie das passieren konnte.«
    Ich machte mir Notizen: Die Sache wurde immer interessanter. Dann fragte ich: »Unter uns, Mrs Quinn: Als Sie von Harrys Gefühlen für Nola erfuhren, was haben Sie da empfunden?«
    »Wut. Und Ekel.«
    »Sie haben nicht vielleicht versucht, sich an Harry zu rächen, indem Sie ihm anonyme Briefe geschickt haben?«
    »Anonyme Briefe? Sehe ich so aus, als würde ich solche Schweinereien machen?«
    Ich hakte nicht nach, sondern fuhr mit meinen Fragen fort. »Glauben Sie, Nola könnte noch mit anderen Männern aus Aurora etwas gehabt haben?«
    Fast hätte sich Tamara an ihrem Eistee verschluckt. »Sind Sie noch gescheit? Nie und nimmer! Sie war ein nettes, hübsches kleines Ding, immer hilfsbereit, fleißig und aufgeweckt. Was bezwecken Sie mit dieser Frage nach unschicklichen Bettgeschichten?«
    »Es war einfach nur eine Frage, nichts weiter. Kennen Sie einen gewissen Elijah Stern?«
    »Natürlich«, erwiderte sie, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Dann schickte sie hinterher: »Er war der Vorbesitzer.«
    »Harrys Vorbesitzer? Wovon?«
    »Von dem Haus in Goose Cove, jawohl. Es hat früher Elijah Stern gehört, und er war damals oft dort. Ich glaube, es war alter Familienbesitz. Eine Zeit lang ist man ihm häufig in Aurora begegnet, aber nachdem er die Geschäfte seines Vaters in Concord übernommen hatte, fehlte ihm die Zeit herzukommen. Also hat er Goose Cove vermietet und schließlich an Harry verkauft.«
    Ich traute meinen Ohren nicht. »Goose Cove hat früher Elijah Stern gehört?«
    »Aber ja. Was ist mit Ihnen, Sie New Yorker? Sie sind ja ganz blass …«

    In New York traf sich Roy Barnaski am Montag, den 30. Juni 2008, um halb elf mit seiner Sekretärin Marisa im einundfünfzigsten Stock des Schmid-&-Hanson-Towers in der Lexington Avenue zur wöchentlichen Besprechung.
    »Marcus Goldman hatte bis heute Zeit, Ihnen sein Manuskript zu schicken«, erinnerte ihn Marisa.
    »Ich nehme an, Sie haben nichts von ihm bekommen …«
    »Nichts, Mr Barnaski.«
    »Das dachte ich mir. Ich habe noch am Samstag mit ihm telefoniert. Der Kerl ist wirklich stur wie ein Esel. So ein Mist!«
    »Was soll ich jetzt tun?«
    »Informieren Sie Richardson. Sagen Sie ihm, dass wir rechtlich gegen ihn vorgehen.«
    In diesem Augenblick erlaubte es sich Marisas Assistentin, die Besprechung zu unterbrechen, indem sie an die Bürotür klopfte. Sie hielt ein Papier in Händen. »Ich weiß, dass Sie in einer Besprechung sind, Mr Barnaski«, entschuldigte sie sich, »aber Sie haben gerade eine E-Mail erhalten, und ich glaube, sie ist sehr wichtig.«
    »Von wem ist sie?«, fragte Barnaski genervt.
    »Von Marcus Goldman.«
    »Goldman? Her damit!«
    Von: [email protected]
Gesendet: Montag, 30. Juni 2008 – 10 : 24
    Lieber Roy,
dies ist kein Schundroman, der vom allgemeinen Wirbel profitiert, um sein Publikum zu finden.
    Es ist nicht das Buch, das Sie verlangen.
    Es ist kein Buch, mit dem ich meine Haut retten will.
    Es ist ein Buch, das etwas zu erzählen hat. Es ist ein Buch, das die Geschichte eines Mannes aufgreift, dem ich alles verdanke.
    Anbei finden Sie die ersten Seiten.
    Wenn es Ihnen gefällt, rufen Sie mich an.
    Wenn nicht, rufen Sie Richardson an, und wir sehen uns vor Gericht.
    Gute Besprechung mit Marisa, und richten Sie ihr meine Grüße aus.
    Marcus Goldman
    »Haben Sie das angehängte Dokument ausgedruckt?«
    »Nein, Mr Barnaski.«
    »Dann tun Sie das sofort!«
    »Jawohl, Mr Barnaski.«
    DER FALL HARRY QUEBERT
(provisorischer Titel)
von Marcus Goldman
    Im Frühjahr 2008, etwa ein Jahr nachdem ich zum neuen Star der amerikanischen Literaturszene geworden war, geschah etwas, das ich tief in meinem Gedächtnis zu vergraben beschloss: Ich fand heraus, dass mein siebenundsechzigjähriger Professor Harry Quebert, einer der angesehensten Schriftsteller des Landes, im Alter von vierunddreißig Jahren eine Beziehung zu einer Fünfzehnjährigen gehabt hatte. Und zwar im Sommer 1975.
    Diese Entdeckung machte ich an einem Tag im März während eines Aufenthaltes in seinem Haus in Aurora, New

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