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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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behauptete also, Nola nur vage gekannt zu haben. Ob ich ihm verraten sollte, dass es eine Zeugin gab, der zufolge die beiden ein Verhältnis gehabt hatten? Ich beschloss, diese Karte vorerst noch im Ärmel zu lassen, aber um ihn ein wenig zu reizen, brachte ich den Namen Caleb ins Spiel.
    »Und Luther Caleb?«, warf ich ein.
    »Was ist mit Luther Caleb?«
    »Kennen Sie jemanden dieses Namens?«
    »Wenn Sie mich so fragen, wissen Sie sicher, dass er über viele Jahre mein Fahrer war. Worauf wollen Sie hinaus, Mr Goldman?«
    »Eine Zeugin hat Nola in dem Sommer, in dem sie verschwunden ist, des Öfteren in seinen Wagen steigen sehen.«
    Er drohte mir mit dem Finger. »Wecken Sie die Toten nicht, Mr Goldman. Luther war ein anständiger, tapferer und ehrlicher Bursche. Ich dulde nicht, dass man seinen Namen verunglimpft, noch dazu, wo er sich nicht mehr verteidigen kann.«
    »Er ist tot?«
    »Ja, schon lange. Man wird Ihnen bestimmt erzählen, dass er oft in Aurora war, und das stimmt auch: Er hat sich um das Haus gekümmert, als ich es noch vermietet habe. Er hielt es in Schuss. Er war ein gutmütiger Kerl, und ich lasse nicht zu, dass Sie hier aufkreuzen und sein Andenken beschmutzen. Ein paar kleine Scheißer aus Aurora werden Ihnen auch erzählen, dass er ein Sonderling war. Gut, er war anders als die anderen, in jeder Hinsicht. Er sah zum Fürchten aus: Sein Gesicht war schrecklich verunstaltet, und seine Kiefer hatten eine Fehlstellung, was dazu führte, dass man ihn nur schlecht verstehen konnte. Aber er hatte das Herz am rechten Fleck und war hochsensibel.«
    »Und Sie glauben nicht, dass er etwas mit Nolas Verschwinden zu tun hatte?«
    »Nein, und da bin ich kategorisch. Für mich ist Harry Quebert der Täter. Wenn ich richtig informiert bin, sitzt er derzeit im Gefängnis …«
    »Ich bin von seiner Schuld nicht überzeugt. Deshalb bin ich hier.«
    »Ich bitte Sie, dieses Mädchen wurde in seinem Garten gefunden, und das Manuskript eines seiner Bücher lag bei der Leiche! Ein Buch, das er für sie geschrieben hat … Was brauchen Sie denn noch?«
    »Schreiben ist nicht dasselbe wie Töten, Sir.«
    »Sie scheinen bei Ihren Ermittlungen gehörig auf der Stelle zu treten, wenn Sie bis hierher kommen, um mit mir über die Vergangenheit und den guten Luther zu reden. Die Unterhaltung ist hiermit beendet, Mr Goldman.« Er rief die Hausangestellte, damit sie mich zum Ausgang begleitete.
    Ich verließ Sterns Arbeitszimmer mit dem unangenehmen Gefühl, dass dieses Gespräch zu nichts geführt hatte. Es ärgerte mich, dass ich ihn nicht mit Nancys Behauptungen konfrontieren konnte, aber es gab nicht genügend Anhaltspunkte, um ihn zu beschuldigen. Gahalowood hatte mich gewarnt: Nancys Zeugenaussage allein reichte nicht, ihr Wort würde gegen das von Stern stehen. Ich brauchte einen handfesten Beweis, und deshalb sagte ich mir, dass es vielleicht angebracht wäre, mich ein wenig in seinem Haus umzusehen.
    In der riesigen Eingangshalle fragte ich die Hausangestellte, ob ich die Toilette benutzen dürfe, bevor ich ging. Sie führte mich zur Gästetoilette im Erdgeschoss und erklärte, die Diskretion in Person, dass sie am Eingang auf mich warten würde. Kaum war sie verschwunden, eilte ich den Flur entlang, um den Flügel des Hauses zu erkunden, in dem ich mich gerade befand. Ich wusste nicht, wonach ich suchte, ich wusste nur, dass ich mich beeilen musste. Es war meine einzige Chance, einen Hinweis auf die Verbindung zwischen Stern und Nola zu finden. Mit klopfendem Herzen öffnete ich auf gut Glück ein paar Türen und betete insgeheim, dass niemand in den Zimmern dahinter war. Aber sie waren allesamt leer. Ich kam durch eine Flucht üppig dekorierter Salons. Durch die großen Fenster sah man den herrlichen Park. Mit gespitzten Ohren setzte ich meine Erkundungstour fort. Eine weitere Tür führte zu einem kleinen Büro. Rasch schlüpfte ich hinein und öffnete die Schränke: Darin befanden sich Aktenordner und Papierstapel, doch die Unterlagen, die ich durchsah, waren für mich nicht von Interesse. Ich suchte etwas, nur was? Was würde mir in diesem Haus dreißig Jahre später ins Gesicht springen und mir weiterhelfen? Die Zeit drängte: Die Hausangestellte würde bestimmt zur Toilette kommen und nach mir sehen, wenn ich nicht bald zurückkehrte. Ich landete in einem zweiten Flur und ging ihn entlang. Er endete vor einer einzigen Tür. Ich fasste mir ein Herz und öffnete sie: Sie führte zu einem riesigen Wintergarten,

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