Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
herumbastelte. Er fuhr ohne Helm, in den Ohren Kopfhörer, die in einen tragbaren CD -Player eingestöpselt waren. Kellergan begrüßte uns schreiend, weil die Musik so laut war, doch dann schaltete er sie aus und stellte den Plattenspieler in der Garage an, der augenblicklich das ganze Haus volldröhnte.
»Die Polizei ist schon mehrmals angerückt, weil die Musik so laut war«, erklärte er. »Sämtliche Nachbarn haben sich beschwert. Chief Travis Dawn hat sich höchstpersönlich herbemüht, um mich zu überreden, auf meine Musik zu verzichten. Ich habe ihm geantwortet: ›Was wollen Sie? Die Musik ist meine Strafe.‹ Da hat er mir diesen tragbaren CD -Player und eine CD von der Platte gekauft, die ich ständig höre. Er hat gesagt, damit kann ich mein Trommelfell zum Platzen bringen, ohne dass die Anrufe aus der Nachbarschaft die Polizeizentrale sprengen.«
»Was ist mit dem Motorrad?«, fragte ich.
»Ich habe es endlich fertig. Schöne Maschine, was?«
Nun, wo er wusste, was mit seiner Tochter passiert war, hatte er das Motorrad, an dem er seit dem Abend ihres Verschwindens gearbeitet hatte, endlich fertigstellen können.
David Kellergan bot uns in seiner Küche einen Platz an und brachte uns einen Eistee.
»Wann übergeben Sie mir den Leichnam meiner Tochter, Sergeant?«, wollte er von Gahalowood wissen. »Sie muss jetzt doch beerdigt werden.«
»Bald, Sir. Ich weiß, das ist schwierig für Sie.«
Der alte Kellergan spielte mit seinem Glas. »Sie liebte Eistee«, erzählte er uns. »Im Sommer haben wir abends oft eine große Flasche Eistee mit an den Strand genommen und uns angesehen, wie die Sonne am Horizont unterging und die Möwen über den Himmel zogen. Nola liebte Möwen, sie liebte sie sehr. Wussten Sie das?«
Ich nickte, dann sagte ich: »Mr Kellergan, es gibt in diesem Fall ein paar Grauzonen. Deshalb sind Sergeant Gahalowood und ich hier.«
»Grauzonen? Das glaube ich gern … Meine Tochter wurde ermordet und in einem Garten verscharrt. Haben Sie etwas Neues herausgefunden?«
»Mr Kellergan, kennen Sie einen gewissen Elijah Stern?«, fragte Gahalowood.
»Nicht persönlich. Ich bin ihm ein paarmal in Aurora begegnet. Aber das ist lange her. Ein ziemlich reicher Kerl.«
»Und sein Faktotum namens Luther Caleb?«
»Luther Caleb … Der Name sagt mir nichts. Aber vielleicht habe ich ihn einfach nur vergessen. Es ist viel Zeit vergangen, das ist wie eine große Gehirnwäsche … Aber was sollen diese Fragen?«
»Alles deutet darauf hin, dass Nola mit diesen beiden Personen in näherer Beziehung stand.«
»In näherer Beziehung ?«, wiederholte David Kellergan, der nicht auf den Kopf gefallen war. »Was genau meinen Sie mit Ihrem diplomatischen Polizeijargon?«
»Wir glauben, dass Nola ein Verhältnis mit Mr Stern hatte. Ich bedaure, Ihnen das so schonungslos mitteilen zu müssen.«
Das Gesicht des alten Kellergan lief dunkelrot an. »Nola? Was wollen Sie damit andeuten? Dass meine Tochter ein Flittchen war? Meine Tochter war das Opfer von diesem Schweinehund Harry Quebert, diesem stadtbekannten Kinderschänder, der hoffentlich bald im Todestrakt sitzt! Befassen Sie sich lieber mit ihm, anstatt hier aufzukreuzen und das Andenken der Toten zu beschmutzen, Sergeant! Das Gespräch ist beendet. Auf Wiedersehen, meine Herren.«
Gahalowood stand folgsam auf, aber es gab da noch ein paar Punkte, die ich gerne klären wollte, deshalb fragte ich: »Ihre Frau hat sie geschlagen, nicht wahr?«
»Wie bitte?«, schrie Kellergan mit erstickter Stimme.
»Ihre Frau! Sie hat Nola verdroschen. Stimmt das?«
»Sie sind ja vollkommen verrückt! Sie …«
Ich fiel ihm ins Wort: »Nola ist Ende Juli 1975 ausgerissen. Sie ist abgehauen, aber Sie haben niemandem etwas davon gesagt, oder täusche ich mich? Warum? Haben Sie sich etwa geschämt? Warum haben Sie nicht die Polizei gerufen, als sie Ende Juli 1975 von zu Hause weggelaufen ist?«
Er setzte zu einer Erklärung an: »Ich wusste, dass sie zurückkommen würde … Und eine Woche später war sie ja auch wieder da!«
»Eine Woche später! Sie haben eine Woche gewartet! Dagegen haben Sie an dem Abend, an dem Nola verschwunden ist, schon eine Stunde nachdem Sie ihr Fehlen bemerkt haben, die Polizei gerufen. Warum?«
Jetzt brüllte ihr Vater: »Weil ich an dem Abend, als ich im Viertel nach ihr gesucht habe, von dem blutüberströmten Mädchen in der Side Creek Lane gehört und sofort einen Zusammenhang hergestellt habe! Was wollen Sie eigentlich von mir,
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