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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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soeben sexuelle Handlungen mit Nola Kellergan gestanden. Das erweiterte die Liste der potenziell Verdächtigen in dem Fall. Am frühen Nachmittag rief mich Harry per R-Gespräch aus dem Gefängnis an. Er weinte und bat mich zu kommen. Er konnte es einfach nicht glauben.
    Wenig später berichtete ich ihm im Besuchsraum des Gefängnisses von der Sache mit Chief Pratt. Harry war am Boden zerstört, Tränen liefen ihm übers Gesicht. Nach einer Weile sagte ich: »Das ist noch nicht alles … Ich glaube, es ist Zeit, dass Sie es erfahren …«
    »Es erfahren? Was? Sie machen mir Angst, Marcus.«
    »Ich habe doch neulich mit Ihnen über Stern gesprochen. Nun, ich war bei ihm zu Hause …«
    »Und?«
    »Ich habe dort ein Porträt von Nola gefunden.«
    »Ein Porträt? Was für ein Porträt?«
    »Stern besitzt ein Gemälde, auf dem Nola nackt dargestellt ist.« Ich hatte das vergrößerte Foto mitgenommen und zeigte es ihm.
    »Das ist sie!«, heulte Harry auf. »Das ist Nola! Was hat das zu bedeuten? Was ist das für eine Schweinerei?«
    Ein Wärter rief ihn zur Ordnung.
    »Harry«, sagte ich, »versuchen Sie, ruhig zu bleiben.«
    »Aber was hat Stern mit der ganzen Sache zu tun?«
    »Das weiß ich auch nicht. Hat Nola mit Ihnen nie über ihn gesprochen?«
    »Nein, nie!«
    »Harry, soweit ich weiß, hatte Nola ein Verhältnis mit Elijah Stern. Und zwar auch im Sommer 1975.«
    »Was? Was soll das heißen, Marcus?«
    »Ich glaube … Also, wenn ich es richtig sehe … Harry, Sie müssen sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass Sie vielleicht nicht der einzige Mann in Nolas Leben waren.«
    Jetzt rastete er völlig aus. Er sprang auf, schleuderte seinen Plastikstuhl gegen die Wand und schrie: »Niemals! Niemals! Sie hat mich geliebt! Haben Sie gehört? Mich!«
    Die Wärter stürzten sich auf ihn, um ihn zu bändigen, und führten ihn ab. Ich hörte ihn noch brüllen: »Warum tun Sie das, Marcus? Warum ziehen Sie alles in den Schmutz? Ich verfluche Sie! Sie, Pratt und Stern!«
    Nach diesem Vorfall machte ich mich daran, die Geschichte der fünfzehnjährigen Nola Kellergan niederzuschreiben, die einem ganzen amerikanischen Provinzstädtchen den Kopf verdreht hatte.

16.
    Der Ursprung des Übels
    Aurora, New Hampshire, 11.–20. August 1975
    »Harry, wie lange braucht man, um ein Buch zu schreiben?«
    »Das kommt darauf an.«
    »Worauf?«
    »Auf alles.«

11. August 1975
    »Harry! Allerliebster Harry!« Sie kam mit dem Manuskript in der Hand ins Haus gelaufen. Es war früher Vormittag, noch nicht einmal neun Uhr. Harry stand in seinem Arbeitszimmer und wühlte in Papierstapeln. Sie stellte sich in den Türrahmen und schwenkte die Mappe mit den wertvollen Unterlagen.
    »Wo war es?«, fragte Harry gereizt. »Wo zum Teufel hat das verdammte Manuskript gesteckt?«
    »Entschuldigen Sie, mein allerliebster Harry … Bitte seien Sie mir nicht böse. Ich habe es gestern Abend mitgenommen. Sie haben schon geschlafen, und ich habe es mit nach Hause genommen, um es zu lesen. Das hätte ich nicht tun dürfen … Aber es ist so schön! Es ist großartig und so schön!«
    »Es hat dir also gefallen?«
    »Gefallen?«, rief sie. »Sie fragen mich, ob es mir gefallen hat? Ich bin hin und weg! Es ist das Schönste, was ich je gelesen habe. Sie sind ein außergewöhnlicher Schriftsteller! Dieses Buch wird ein ganz großes Buch! Und Sie werden berühmt, Harry. Hören Sie? Berühmt!«
    Bei diesen Worten tanzte sie. Sie tanzte den Flur entlang bis ins Wohnzimmer und auf die Terrasse, denn sie war überglücklich. Sie richtete ihm den Tisch auf der Terrasse her: Sie wischte den Morgentau ab, breitete eine Tischdecke aus und bereitete seinen Arbeitsplatz mit Stiften, Heften, Entwürfen und handverlesenen Steinen vom Strand vor, die ihm als Briefbeschwerer dienten. Dann brachte sie Kaffee, Waffeln, Kekse und Obst und legte ein Kissen auf seinen Stuhl, damit er es bequem hatte. Sie vergewisserte sich, ob auch alles perfekt war, damit er unter bestmöglichen Umständen arbeiten konnte. Kaum hatte er sich an den Tisch gesetzt, verschwand sie im Haus. Sie machte den Haushalt und kochte das Essen. Sie kümmerte sich um alles, damit er sich ganz aufs Schreiben konzentrieren konnte. Zwischendurch las sie Zug um Zug seine handgeschriebenen Seiten, nahm die eine oder andere Korrektur vor und tippte den Text anschließend mit einer Leidenschaft und Hingabe wie die loyalste Sekretärin der Welt auf ihrer Remington ins Reine. Erst wenn sie alle Aufgaben erledigt

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