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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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mitzuteilen, dass Ihr Sohn bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist , und sie antwortet: Okay. Danach hat sie aufgelegt, uns angesehen und gesagt: Er ist tot. «
    »Was war passiert?«, fragte Gahalowood.
    »Ein Sturz aus zwanzig Meter Höhe von den Klippen bei Sagamore in Massachusetts. Angeblich war er betrunken. Die Strecke ist kurvenreich und nachts unbeleuchtet.«
    »Wie alt war er?«
    »Dreißig … Er war damals dreißig. Mein Bruder war ein guter Mensch, aber … Wissen Sie, ich bin froh, dass Sie hier sind. Ich glaube, ich sollte Ihnen etwas erzählen, was wir vielleicht schon vor dreiunddreißig Jahren hätten erzählen sollen.«
    Mit bebender Stimme schilderte uns Sylla, was am Samstag, den 30. August 1975, gute drei Wochen vor dem Unfall, vorgefallen war.

    30. August 1975, Portland, Maine
    An jenem Abend wollte die Familie Caleb in Syllas Lieblingsrestaurant Horse Shoe essen gehen, um ihren einundzwanzigsten Geburtstag am 1. September vorzufeiern. Jay Caleb, ihr Vater, hatte als Überraschung den Bankettraum im ersten Stock des Restaurants reserviert und all ihre Freunde sowie ein paar Verwandte eingeladen, insgesamt dreißig Personen, darunter auch Luther.
    Um achtzehn Uhr fuhren die Calebs – Jay, die Mutter Nadia und Sylla – zum Restaurant. Die anderen Gäste erwarteten Sylla bereits und ließen sie bei ihrer Ankunft hochleben. Das Fest begann: Es gab Musik und Champagner. Nur Luther fehlte noch. Der Vater dachte zuerst, er sei unterwegs aufgehalten worden. Aber um neunzehn Uhr dreißig, als das Abendessen serviert wurde, war sein Sohn immer noch nicht da. Es war nicht Luthers Art, zu spät zu kommen, und Jay begann sich Sorgen zu machen. Er versuchte Luther in seiner Dienstwohnung auf Sterns Anwesen anzurufen, aber es hob niemand ab.
    Luther verpasste das Abendessen, den Kuchen, den Tanz. Um ein Uhr morgens fuhren die Calebs schweigend nach Hause. Sie waren besorgt, denn Luther würde um nichts auf der Welt leichtfertig die Geburtstagsfeier seiner Schwester verpassen. Zu Hause stellte Jay im Wohnzimmer in einem Reflex das Radio an. In den Nachrichten wurde über einen groß angelegten Polizeieinsatz in Aurora nach dem Verschwinden eines fünfzehnjährigen Mädchens berichtet. Der Name »Aurora« war ihnen vertraut. Luther hatte erzählt, dass er sich dort oft um die Rosen im Garten eines wunderschönen, am Meer gelegenen Hauses kümmerte, das Elijah Stern gehörte. Jay Caleb hielt es für einen Zufall. Aufmerksam hörte er sich die restlichen Nachrichten an und anschließend auch noch die auf ein paar anderen Radiosendern, um herauszufinden, ob sich in der Gegend ein Verkehrsunfall ereignet hatte, aber es wurde nichts dergleichen gemeldet. Beunruhigt blieb er die halbe Nacht auf, weil er nicht wusste, ob er die Polizei verständigen, zu Hause warten oder die Strecke nach Concord abfahren sollte. Schließlich schlief er im Wohnzimmer auf dem Sofa ein.
    Da er am nächsten Morgen noch immer nichts von Luther gehört hatte, rief er in aller Frühe Elijah Stern an und fragte nach seinem Sohn. »Luther?«, entgegnete Stern. »Der ist nicht da. Er hat Urlaub genommen. Hat er Ihnen das nicht erzählt?«
    Das war sehr seltsam. Warum hätte Luther verreisen sollen, ohne ihnen etwas davon zu sagen? Besorgt und weil er nicht länger untätig bleiben wollte, beschloss Jay Caleb, sich auf die Suche nach seinem Sohn zu machen.

    Bei der Erinnerung an diese Geschehnisse begann Sylla Mitchell zu zittern. Abrupt stand sie auf und machte frischen Kaffee.
    »An jenem Tag ist mein Vater nach Concord gefahren, und meine Mutter ist zu Hause geblieben für den Fall, dass Luther auftauchte. Ich habe mich mit ein paar Freundinnen getroffen, und als ich abends nach Hause kam, saßen meine Eltern im Wohnzimmer und redeten miteinander. Ich habe gehört, wie mein Vater zu meiner Mutter gesagt hat: Ich glaube, Luther hat eine Riesendummheit begangen. Ich habe gefragt, was los sei, und er hat mir befohlen, niemandem zu erzählen, dass Luther verschwunden war, vor allem nicht der Polizei. Er wollte es selbst in die Hand nehmen, ihn zu finden. Er hat ihn drei Wochen lang vergeblich gesucht – bis zum Tag des Anrufs.« Sie unterdrückte ein Schluchzen.
    »Was war passiert, Mrs Mitchell?«, fragte Gahalowood behutsam. »Warum glaubte Ihr Vater, dass Luther eine Dummheit begangen hatte? Warum wollte er nicht die Polizei rufen?«
    »Das ist kompliziert, Sergeant. Es ist alles so kompliziert …«
    Sie schlug die Fotoalben auf und

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