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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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zurückgefahren und in Luthers Zimmer gegangen, um nachzusehen, ob er da war, aber natürlich war es leer – bis auf Nolas Bild, das mich anstarrte. Es war fertig, das Bild war fertig gemalt. Ich habe es mitgenommen und im Atelier aufgehängt. Und dort ist es all die Jahre geblieben. Ich habe die ganze Nacht vergeblich auf Luther gewartet. Am nächsten Morgen hat mich sein Vater angerufen: Er suchte auch nach ihm. Ich habe ihm gesagt, dass sein Sohn zwei Tage zuvor weggefahren war, ohne zu sagen, wohin. Sonst habe ich niemandem davon erzählt, sondern geschwiegen. Wenn ich Luther der Entführung an Nola Kellergan beschuldigt hätte, wäre meine Mitschuld offiziell geworden. Drei Wochen habe ich auf Luther gewartet und Tag für Tag nach ihm gesucht – bis sein Vater mich benachrichtigt hat, dass er bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist.«
    »Sie glauben also, dass Luther Caleb Nola getötet hat?«, hatte Gahalowood gefragt.
    Stern hatte genickt. »Ja, Sergeant. Das glaube ich seit dreiunddreißig Jahren.«
    Sterns Worte, die mir Gahalowood soeben wiedergegeben hatte, verschlugen mir zunächst die Sprache. Ich holte uns noch zwei Bier aus der Minibar und brachte mein Aufnahmegerät in Stellung. »Sie müssen mir das alles noch mal erzählen, Sergeant«, bat ich ihn. »Ich muss das für mein Buch aufnehmen.«
    »Wenn Sie meinen, Schriftsteller«, erklärte er bereitwillig.
    Ich schaltete das Gerät ein. In diesem Augenblick klingelte Gahalowoods Handy. Er nahm den Anruf an, und das Gerät zeichnete jedes seiner Worte auf: »Sind Sie sich sicher? Haben Sie das überprüft? Was? Großer Gott, das ist ja vollkommen verrückt!«
    Er bat mich um Zettel und Stift, notierte etwas und legte auf. Dann sah er mich sonderbar an und sagte: »Das war ein Praktikant von der Kripo … Ich hatte ihn gebeten, den Bericht über Luther Calebs Unfall rauszusuchen.«
    »Und?«
    »Laut dem damaligen Bericht wurde Luther Caleb in einem schwarzen Chevrolet Monte Carlo aufgefunden, der auf Sterns Firma zugelassen war.«

    Freitag, 26. September 1975
    Es war ein nebliger Tag. Die Sonne war schon vor Stunden aufgegangen, aber es herrschte schlechte Sicht. Über dem Land hingen dichte Nebelschwaden wie so oft im feuchten Herbst Neuenglands. Es war acht Uhr morgens, als der Hummerfischer George Tent in Begleitung seines Sohns mit seinem Boot aus dem Hafen von Sagamore in Massachusetts auslief. Sein Fanggebiet erstreckte sich hauptsächlich entlang der Küste, aber er gehörte zu den wenigen seiner Zunft, die außerdem Fallen in einigen Meeresarmen ausbrachten. Die meisten Fischer ließen sie links liegen, weil sie als schwer zugänglich galten oder den Launen der Gezeiten zu stark ausgesetzt waren, um ertragreich zu sein. In genau solch einen Arm fuhr George Tent an diesem Tag mit seinem Boot, um zwei Fallen zu bergen. Während er im Sunset Cove, einem Meereseinschnitt zwischen steil abfallenden Felswänden, manövrierte, wurde sein Sohn plötzlich von einem Gleißen geblendet. Ein Sonnenstrahl war zwischen den Wolken durchgesickert und von etwas reflektiert worden. Der Lichtblitz hatte zwar nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert, war aber so grell gewesen, dass der junge Mann neugierig zum Fernglas griff, um die Klippen abzusuchen.
    »Was ist?«, fragte sein Vater.
    »Da vorn am Rand ist etwas. Ich weiß nicht genau, was, aber ich habe einen Gegenstand hell funkeln sehen.«
    Tent schätzte den Wasserstand an den Felsen ab und kam zu dem Schluss, dass das Meer tief genug war, um näher an die Klippen heranzufahren. Langsam tuckerte er an der Felswand entlang.
    »Hast du eine Ahnung, was das gewesen sein könnte?«, fragte George Tent, der gleichfalls neugierig geworden war.
    »Sicher nicht nur ein Lichtreflex. Aber er kam von einem ungewöhnlichen Gegenstand aus Metall oder Glas.«
    Sie wagten sich noch näher heran, und als sie eine Felsnase umrundeten, entdeckten sie, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. »Heiliger Strohsack!«, fluchte Tent mit weit aufgerissenen Augen. Er stürzte zum Bordfunkgerät, um die Küstenwache zu informieren.
    Um acht Uhr siebenundvierzig desselben Tages wurde der Polizei in Sagamore von der Küstenwache ein tödlicher Unfall gemeldet: Ein Auto war offenbar oberhalb der Klippen des Sunset Cove von der Straße abgekommen und am Fuß der Felsen zerschellt. Officer Darren Wanslow begab sich an den Unfallort. Er kannte die schmale Straße gut, die dicht an der schwindelerregend steilen Felswand entlang

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