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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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Danke, Mr Stern!«
    »Warte, es gibt eine Bedingung …«
    »Natürlich! Alles, was Sie wollen! Sie sind so großzügig, Mr Stern.«
    »Du wirst für ein Gemälde Modell stehen. Luther wird dich malen. Du musst dich nackt ausziehen, und er wird dich malen.«
    Sie schluckte schwer. »Nackt ausziehen? Ganz nackt?«
    »Ja. Aber nur, um zu posieren. Niemand wird dich anrühren.«
    »Aber, Sir, ich schäme mich so, wenn ich mich ausziehen soll … Ich meine …« Sie fing an zu schluchzen. »Ich dachte, ich könnte zum Beispiel im Garten arbeiten oder die Bücher in Ihrer Bibliothek ordnen. Ich dachte nicht an … An so etwas habe ich nicht gedacht.«
    Sie wischte ihre Wangen trocken. Stern betrachtete diese sanftmütige kleine Person, die er nötigte, als Aktmodell zu posieren. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und getröstet, aber er durfte sich nicht von seinen Gefühlen überwältigen lassen.
    »Das ist mein Preis«, sagte er knapp. »Du posierst nackt, und Quebert behält das Haus.«
    Sie nickte. »Ich tue es, Mr Stern. Ich tue alles, was Sie wollen. Ab jetzt gehöre ich Ihnen.«

    Dreiunddreißig Jahre nach dieser Szene hatte Stern, von Gewissensbissen geplagt und als wollte er Abbitte leisten, Gahalowood auf die Terrasse seines Hauses geführt, an jenen Ort, an dem er von Nola verlangt hatte, sich auf Wunsch seines Fahrers nackt auszuziehen, wenn sie wollte, dass die Liebe ihres Lebens in der Stadt bleiben konnte.
    »So ist Nola in mein Leben getreten«, hatte er gesagt. »Am Tag nach ihrem Besuch habe ich versucht, Kontakt zu Quebert aufzunehmen, um ihm zu sagen, dass er in Goose Cove bleiben kann, aber ich konnte ihn nicht erreichen. Eine Woche lang war er unauffindbar. Ich habe sogar Luther losgeschickt, und er hat sich vor seinem Haus die Beine in den Bauch gestanden. Schließlich konnte Luther Quebert gerade noch mit dem Wagen einholen, als er Aurora verlassen wollte.«
    Dann hatte Gahalowood gefragt: »Kam Ihnen Nolas Ansinnen nicht befremdlich vor? Dieses fünfzehnjährige Mädchen, das eine Beziehung zu einem über dreißig Jahre alten Mann hatte, kam zu Ihnen, um Sie um einen Gefallen für ihn zu bitten?«
    »Wissen Sie, Sergeant, sie hat so schön über die Liebe gesprochen … So schön, wie ich es selbst nie hätte sagen dürfen. Denn ich liebe ja Männer. Wissen Sie, was man damals von der Homosexualität hielt? Übrigens ist es noch heute so … Der Beweis: Ich verstecke mich immer noch. Das geht so weit, dass ich nicht wage, den Mund aufzumachen, wenn dieser Goldman mich als sadistischen alten Knacker hinstellt und andeutet, dass ich Nola missbraucht hätte. Ich schicke meine Anwälte an die Front, strenge einen Prozess an und versuche, das Buch verbieten zu lassen. Dabei würde es reichen zu erzählen, dass ich vom anderen Ufer bin. Aber unsere Mitbürger sind eben immer noch sehr prüde, und ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren.«
    Gahalowood hatte das Gespräch wieder zum ursprünglichen Thema zurückgeführt: »Ihr Arrangement mit Nola – wie sah das aus?«
    »Luther hat es übernommen, sie in Aurora abzuholen. Ich hatte ihm gesagt, dass ich mit der Sache nichts zu tun haben wollte. Außerdem habe ich verlangt, dass er dazu seinen eigenen Wagen benutzt, einen blauen Mustang, und nicht den Dienstwagen, also den schwarzen Lincoln. Kaum habe ich ihn nach Aurora fahren sehen, habe ich alle Angestellten aus dem Haus geschickt. Ich wollte niemanden hier haben, dafür schämte ich mich zu sehr. Und ich wollte auch nicht, dass das Ganze im Wintergarten stattfand, den Luther normalerweise als Atelier nutzte, weil ich zu große Angst hatte, dass jemand sie überraschen könnte. Also ging er mit Nola immer in einen kleinen Salon neben meinem Arbeitszimmer. Ich habe sie bei ihrer Ankunft begrüßt und sie verabschiedet, bevor sie ging. Das hatte ich Luther zur Bedingung gemacht: Ich wollte mich vergewissern, dass alles seine Ordnung hatte. Oder sagen wir: dass es nicht zu schlimm war. Ich erinnere mich noch, wie sie beim ersten Mal, nackt und nur mit einem weißen Laken bedeckt, auf einem Sofa lag. Sie zitterte, fühlte sich sichtlich unwohl und fürchtete sich. Ich habe ihre Hand gedrückt, sie war eiskalt. Ich bin nie im Zimmer geblieben, aber immer in der Nähe, um sicherzugehen, dass er ihr kein Leid zufügte. Später habe ich in dem Zimmer sogar eine Gegensprechanlage versteckt und sie eingeschaltet, um zu hören, was vor sich ging.«
    »Und?«
    »Nichts. Luther sagte kein Wort. Er

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