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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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erzählt.«
    »Hängt ihr Umzug damit zusammen?«
    »Das weiß ich nicht. Ich würde Ihnen gerne helfen, aber ich weiß es einfach nicht.«
    »Es ist ganz allein meine Schuld, Mrs Hattaway«, sagte ich. »Ich hätte mich danach voll und ganz auf Alabama konzentrieren müssen.«
    »Also wurde sie von ihrem Vater geschlagen?«, fragte Gahalowood perplex.
    Nancy besann sich kurz, sie wirkte etwas ratlos. Schließlich antwortete sie: »Ja, das heißt, nein. Ich weiß auch nicht … Sie hatte diese Male auf ihrem Körper, und als ich sie gefragt habe, was passiert ist, hat sie gesagt, dass sie zu Hause bestraft wurde.«
    »Bestraft? Wofür?«
    »Das hat sie nicht gesagt. Aber sie hat nie behauptet, dass ihr Vater sie geschlagen hat. Eigentlich weiß niemand es so ganz genau. Meine Mutter hat die blauen Flecken einmal am Strand gesehen. Und dann war da noch diese ohrenbetäubende Musik, die er in regelmäßigen Abständen anstellte. Die Leute glaubten, dass der alte Kellergan seine Tochter verprügelte, aber niemand wagte etwas zu sagen. Schließlich war er unser Pfarrer.«
    Nach unserem Gespräch mit Nancy Hattaway saßen Gahalowood und ich noch eine Weile schweigend auf einer Bank vor ihrem Geschäft. Ich war verzweifelt.
    »Ein verdammtes Missverständnis!«, stieß ich schließlich hervor. »Das alles nur wegen eines verdammten Missverständnisses! Wie konnte ich nur so blöd sein?«
    Gahalowood versuchte mich zu trösten. »Immer mit der Ruhe, Schriftsteller. Sie dürfen nicht so streng zu sich selbst sein. Wir sind alle darauf reingefallen. Wir waren so in unsere Ermittlungen vertieft, dass wir den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen haben. Das nennt man Betriebsblindheit, das passiert jedem mal.«
    In diesem Augenblick klingelte sein Handy. Es war der erwartete Rückruf aus dem Hauptquartier der State Police. »Sie haben den Namen von dem Kerl am Motel«, raunte er mir zu, während er dem Kollegen zuhörte. Plötzlich sah er mich merkwürdig an, hielt den Hörer vom Ohr weg und sagte: »Es war David Kellergan.«
    In der Terrace Avenue 245 dröhnte die ewig gleiche Musik: Der alte Kellergan war zu Hause.
    »Wir müssen unbedingt herauskriegen, was er von Harry wollte«, sagte Gahalowood, als er aus dem Wagen stieg. »Aber ich flehe Sie an, Schriftsteller: Überlassen Sie die Gesprächsführung mir!«
    Bei seiner Überprüfung am Sea Side Motel hatte die Autobahnpolizei in David Kellergans Wagen ein Jagdgewehr gefunden. Die Beamten hatten ihn jedoch nicht weiter behelligt, weil er die Waffe rechtmäßig besaß. Er hatte angegeben, auf dem Weg zu seinem Schießclub gewesen zu sein und angehalten zu haben, um im Restaurant des Motels einen Kaffee zu trinken. Da nichts gegen ihn vorlag, hatten sie ihn weiterfahren lassen.
    »Ziehen Sie ihm die Würmer aus der Nase, Sergeant«, forderte ich Gahalowood auf, als wir über den gepflasterten Weg zum Haus gingen. »Ich bin gespannt, was das für ein Brief war … Kellergan hatte mir gegenüber behauptet, Harry kaum zu kennen. Glauben Sie, er hat mich angelogen?«
    »Das werden wir gleich herausfinden, Schriftsteller.«
    Der alte Kellergan hatte uns offenbar kommen sehen, denn noch bevor wir klingeln konnten, öffnete er, mit seinem Gewehr bewaffnet, die Tür. Er sah aus, als hätte er größte Lust, mich abzuknallen. »Sie haben das Andenken meiner Frau und meiner Tochter beschmutzt!«, schrie er fuchsteufelswild. »Sie Scheißkerl! Sie sind der letzte Dreck!«
    Gahalowood versuchte, ihn zu besänftigen. Er beschwor ihn, das Gewehr wegzulegen, und erklärte, dass wir nur gekommen waren, um endlich zu verstehen, was mit Nola passiert war. Angelockt vom Geschrei, versammelten sich Schaulustige. Schon bald drängte sich eine neugierige Menschentraube vor dem Haus. Der alte Kellergan tobte weiter, und Gahalowood gab mir mit einem Zeichen zu verstehen, dass wir langsam den Rückzug antreten sollten. In diesem Augenblick trafen mit heulenden Sirenen zwei Streifenwagen der Polizei von Aurora ein. Travis Dawn stieg aus einem der Fahrzeuge. Der Ärger über meinen Anblick stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er sagte: »Meinst du nicht auch, dass du hier in der Stadt schon genug Chaos angerichtet hast?« Dann fragte er Gahalowood, ob es einen triftigen Grund dafür gab, dass die State Police in Aurora anrückte, ohne ihn vorab zu informieren.
    Ich begriff, dass uns nicht viel Zeit blieb, und deshalb rief ich David Kellergan zu: »Beantworten Sie mir eine Frage, Reverend: Sie haben die

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