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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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hatte, und weigerte sich zu glauben, dass ihr Vater die anonymen Briefe an Harry geschrieben hatte.
    Der einzige Mensch, der zu einem Gespräch mit uns bereit war, war Nancy Hattaway, die wir in ihrem Geschäft besuchten.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Nancy zu mir. »Ich habe Nolas Mutter Ihnen gegenüber nie erwähnt.«
    »Aber Sie haben die blauen Flecken von den Schlägen erwähnt, die Ihnen aufgefallen sind. Und dass Nola eine ganze Woche von zu Hause abgehauen ist und man Ihnen weismachen wollte, sie wäre krank.«
    »Aber da war nur der Vater zu Hause. Er hat mir in jener Juliwoche, in der Nola ausgerissen war, den Zutritt zum Haus verwehrt. Von der Mutter war nie die Rede.«
    »Sie haben mir von Schlägen mit einem Eisenlineal auf ihre Brüste erzählt. Erinnern Sie sich?«
    »Ja, von den Schlägen. Aber ich habe nicht gesagt, dass ihre Mutter sie geschlagen hat.«
    »Ich habe Sie aufgenommen! Das war am 26. Juni. Ich habe die Aufnahme dabei. Schauen Sie, das Datum steht drauf.«
    Ich schaltete den Minidisc-Player ein:
    »Merkwürdig, was Sie mir da über Reverend Kellergan erzählen, Mrs Hattaway. Ich habe ihn vor ein paar Tagen kennengelernt, und auf mich machte er eher einen sanftmütigen Eindruck.«
    »So kann er durchaus wirken, vor allem in der Öffentlichkeit. Man hatte ihn zu Hilfe gerufen, um die ziemlich verwahrloste Gemeinde von St. James auf Vordermann zu bringen. In Alabama hatte es offenbar wahre Wunder bewirkt. Und tatsächlich war die St.-James-Kirche schon bald nach seiner Amtsübernahme jeden Sonntag voll. Aber davon abgesehen lässt sich schwer sagen, wie es bei den Kellergans zu Hause wirklich zuging …«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Nola wurde geschlagen.«
    »Was?«
    »Ja, sie wurde übel geschlagen. Ich erinnere mich noch an einen schrecklichen Vorfall Anfang des Sommers, Mr Goldman. Da habe ich zum ersten Mal diese Spuren auf Nolas Körper gesehen. Wir waren zum Baden an den Grand Beach gegangen. Nola sah traurig aus, und ich dachte, es wäre wegen eines Jungen. Da gab es diesen Cody, einen Typen aus der Zehnten, der hinter ihr her war. Aber dann hat sie mir gestanden, dass sie zu Hause schikaniert und ein böses Mädchen genannt wurde. Ich habe sie nach dem Grund gefragt, und sie hat irgendwelche Vorfälle in Alabama erwähnt, auf die sie aber nicht eingehen wollte. Später, als sie sich am Strand ausgezogen hat, habe ich diese schrecklichen Male auf ihren Brüsten gesehen. Ich habe sie sofort gefragt, was es damit auf sich hat, und stellen Sie sich vor, was sie geantwortet hat: ›Das war Mutter, sie hat mich am Samstag mit einem Eisenlineal geschlagen.‹ Ich war vollkommen baff und dachte natürlich, ich hätte mich verhört, aber sie hat beteuert: ›Es ist die Wahrheit. Sie hat gesagt, dass ich ein böses Mädchen bin.‹ Nola wirkte verzweifelt, und ich bin nicht weiter in sie gedrungen. Nach dem Baden sind wir nach Hause gegangen, und ich habe ihr eine Salbe auf die Brüste gestrichen. Ich habe zu ihr gesagt, dass sie mit jemanden über ihre Mutter reden sollte, zum Beispiel mit Mrs Sanders, der Krankenschwester aus der Highschool, aber Nola wollte davon nichts wissen.«
    »Da!«, rief ich und stoppte die Wiedergabe. »Sehen Sie, da reden Sie über die Mutter!«
    »Nein«, verwahrte sich Nancy. »Ich habe Ihnen lediglich meine Verblüffung darüber mitgeteilt, dass Nola von ihrer Mutter gesprochen hat. Damit wollte ich Ihnen klarmachen, dass bei den Kellergans etwas nicht stimmte. Ich war mir sicher, Sie wüssten, dass sie tot war.«
    »Ich hatte keine Ahnung! Ich wusste zwar, dass ihre Mutter nicht mehr lebt, aber ich dachte, sie wäre gestorben, nachdem Nola verschwunden war. Ich erinnere mich, dass David Kellergan mir bei meinem ersten Besuch sogar ein Foto von seiner Frau gezeigt hat. Ich weiß noch, dass ich überrascht war, wie liebenswürdig er mich empfing. Und ich erinnere mich, dass ich zu ihm so etwas Ähnliches gesagt habe wie: ›Und was ist mit Ihrer Frau?‹ Worauf er geantwortet hat: ›Sie ist schon lange tot.‹«
    »Jetzt, wo ich diese Aufnahme höre, begreife ich, dass ich Sie möglicherweise in die Irre geführt habe. Das ist ein schreckliches Missverständnis, Mr Goldman, es tut mir leid.«
    Ich ließ die Aufnahme weiterlaufen:
    »… mit Mrs Sanders, der Krankenschwester aus der Highschool, aber Nola wollte davon nichts wissen.«
    »Was war in Alabama passiert?«
    »Das weiß ich nicht, ich habe es nie erfahren. Nola hat es mir nie

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