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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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um ihm beizukommen.«
    »Simuliertes Ertränken«, bemerkte ich.
    »Aber auch das hat nicht gereicht. Deshalb haben wir sie geschlagen, um den Dämon zu bezwingen und aus ihrem Körper zu vertreiben.«
    »Sie haben die Kleine geschlagen?«, polterte Gahalowood los.
    »Nein, nicht die Kleine: den Leibhaftigen!«
    »Sie sind ja verrückt, Lewis!«
    »Wir mussten sie erlösen! Und wir dachten, es wäre uns geglückt. Aber dann hat Nola diese Zustände bekommen. Sie und ihr Vater haben eine Weile bei uns gewohnt, und die Kleine wurde unberechenbar. Ihre Mutter ist ihr erschienen.«
    »Wollen Sie damit sagen, Nola hatte Halluzinationen?«, fragte Gahalowood.
    »Schlimmer: Sie hat eine Art Persönlichkeitsspaltung entwickelt. Manchmal ist sie in die Rolle ihrer Mutter geschlüpft und hat sich für das bestraft, was sie getan hatte. Einmal habe ich miterlebt, wie sie im Bad geschrien hat. Sie hatte die Wanne gefüllt, ihren Kopf mit einer Hand an den Haaren gepackt und ins eiskalte Wasser gedrückt. So konnte es nicht weitergehen. Deshalb hat David beschlossen wegzuziehen, und zwar ganz weit weg. Er hat gesagt, dass er aus Jackson, aus Alabama fortmüsse und dass der räumliche und zeitliche Abstand Nola bestimmt helfen würde. Ich hatte damals gehört, dass die Gemeinde von Aurora einen Pfarrer suchte, und er hat nicht eine Sekunde gezögert. So kam es, dass er sich ans andere Ende des Landes nach New Hampshire abgesetzt hat.«

3.
    Wahltag
    »Ihr Leben wird von ein paar großen Ereignissen durchzogen sein. Erwähnen Sie diese in Ihren Büchern, Marcus. Sollten sie nämlich misslungen sein, haben sie wenigstens das Verdienst, auf einigen Seiten Zeitgeschichte wiederzugeben.«
    Auszug aus dem Concord Herald vom
5. November 2008
    BARACK OBAMA ZUM 44. PRÄSIDENTEN DER VEREINIGTEN STAATEN GEWÄHLT
    Der Kandidat der Demokraten, Barack Obama, hat bei den Präsidentschaftswahlen über den Republikaner McCain gesiegt und wird somit der 44. Präsident der Vereinigten Staaten. Der Bundesstaat New Hampshire, der George W. Bush 2004 zum Wahlsieg verholfen hatte, ist ins Lager der Demokraten zurückgekehrt (…)

5. November 2008
    Am Tag nach der Wahl war New York im Freudentaumel. Die Menschen hatten den Sieg der Demokraten bis spätnachts auf den Straßen gefeiert, als wollten sie die Dämonen der letzten Doppelpräsidentschaft verjagen. Ich hatte die Volksfeststimmung lediglich am Fernseher in meinem Büro miterlebt, das ich seit drei Tagen nicht verlassen hatte.
    An diesem Morgen erschien Denise um acht Uhr mit einem Obama-Pullover, einer Obama-Tasse, einem Obama-Button und einem Päckchen Obama-Aufkleber im Büro. »Oh, Sie sind schon da, Marcus«, rief sie, als sie durch die Eingangstür trat und sah, dass alle Lichter brannten. »Waren Sie gestern Abend draußen? Was für ein Sieg! Ich habe Ihnen Sticker für Ihren Wagen mitgebracht.« Immer noch redend, legte sie die Sachen auf ihrem Tisch ab, schaltete die Kaffeemaschine ein und den Anrufbeantworter aus. Dann kam sie in mein Büro. Als sie sah, in was für einem Zustand sich das Zimmer befand, riss sie die Augen auf und rief: »Um Himmels willen, Marcus, was ist denn hier los?«
    Ich saß in meinem Sessel und starrte die Wand an, die ich nachts mit meinen Notizen und Ermittlungsskizzen tapeziert hatte. Außerdem hatte ich mir immer wieder die Aufnahmen von Harry, Nancy Hattaway und Robert Quinn angehört.
    »Ich kapiere an diesem Fall etwas nicht«, gestand ich. »Und das macht mich verrückt.«
    »Haben Sie die ganze Nacht hier verbracht?«
    »Ja.«
    »Ach, Marcus, und ich dachte, Sie wären unterwegs, um sich ein bisschen zu amüsieren! Das haben Sie schon ewig nicht mehr gemacht. Ist es Ihr Roman, der Sie so quält?«
    »Nein, etwas, was ich vergangene Woche herausgefunden habe.«
    »Was haben Sie denn herausgefunden?«
    »Da bin ich mir eben nicht ganz sicher. Was soll man tun, wenn einem klar wird, dass man von einem Menschen, den man immer bewundert und als Vorbild gesehen hat, nach Strich und Faden belogen wurde?«
    Sie überlegte kurz und sagte dann: »Sowas Ähnliches ist mir passiert, und zwar mit meinem ersten Mann. Ich habe ihn mit meiner besten Freundin im Bett überrascht.«
    »Und was haben Sie getan?«
    »Nichts. Ich habe nichts gesagt und auch nichts getan. Das war in den Hamptons. Wir waren übers Wochenende mit meiner besten Freundin und deren Mann in ein Hotel am Meer gefahren. Am Samstag habe ich am frühen Abend einen Strandspaziergang gemacht, allein,

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