Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
am ganzen Körper. Jeremy Lewis schenkte ihm ein großes Glas Whisky ein.
»Und Nola? Ist sie unversehrt?«, erkundigte er sich.
»Ja, dem Herrn sei Dank. Die Ärzte haben sie untersucht. Ihr fehlt nichts.«
Auch Jeremy Lewis stiegen die Tränen in die Augen: »Mein Gott, David … Was für eine Tragödie! Was für eine Tragödie!« Er legte seinem Freund die Hände auf die Schultern, um ihn zu trösten.
»Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, Jeremy. Ich war am Sterbebett einer Frau aus der Gemeinde. Als ich zurückkam, brannte das Haus. Die Flammen waren schon riesengroß.«
»Haben Sie Nola herausgeholt?«
»Jeremy … Ich muss mit Ihnen etwas besprechen.«
»Was denn? Sie können mir alles sagen, ich bin für Sie da!«
»Jeremy … Als ich heimkam, stand das Haus in Flammen … Der ganze erste Stock hatte Feuer gefangen! Ich wollte nach oben gehen, um meine Frau zu retten, aber die Treppe brannte bereits. Ich konnte nichts tun! Nichts!«
»Du lieber Himmel … Und was war mit Nola?«
David Kellergan würgte, dann keuchte er: »Der Polizei habe ich erzählt, dass ich nach oben gegangen bin und Nola aus dem Haus geholt habe, aber dass ich nicht noch einmal hineingehen konnte, um meine Frau zu retten …«
»Und? Stimmt das nicht?«
»Nein, Jeremy. Als ich heimkam, brannte das Haus lichterloh. Und Nola … Nola stand auf der Veranda und sang.«
Am nächsten Morgen ging David Kellergan zu seiner Tochter ins Gästezimmer, um mit ihr zu reden. Er wollte ihr begreiflich machen, dass ihre Mutter tot war. »Mein Schatz«, sagte er zu ihr, »erinnerst du dich an gestern Abend? Da war dieses Feuer, weißt du noch?«
»Ja.«
»Es ist etwas sehr Schlimmes passiert. Etwas sehr Schlimmes und sehr Trauriges, das dir großen Kummer bereiten wird. Mama war in ihrem Zimmer, als das Feuer ausgebrochen ist, und sie konnte nicht weglaufen.«
»Ja, ich weiß. Mama ist tot«, erklärte Nola. »Sie war böse. Darum habe ich ihr Zimmer angezündet.«
» Was ? Was erzählst du da?«
»Ich bin in ihr Zimmer gegangen, als sie geschlafen hat. Sie sah böse aus. Böse Mama! Ich wollte, dass sie stirbt. Darum habe ich die Streichhölzer von der Kommode genommen und die Vorhänge angezündet.«
Nola strahlte ihren Vater an. Er bat sie, ihre Worte zu wiederholen, was Nola tat. In diesem Augenblick hörte er den Fußboden knarren und drehte sich um: Pfarrer Lewis, der gekommen war, um sich nach der Kleinen zu erkundigen, hatte alles mitangehört.
Sie zogen sich in sein Büro zurück.
»Nola hat das Haus angezündet? Nola hat ihre Mutter getötet?«, rief Lewis entgeistert.
»Scht! Nicht so laut, Jeremy! Sie … Sie hat gesagt, dass sie das Haus angezündet hat, aber das darf doch nicht wahr sein, Herrgott noch mal!«
»Ist Nola von Dämonen besessen?«, fragte Lewis.
»Von Dämonen besessen? Nein, nein! Ihrer Mutter und mir ist sie manchmal ein bisschen merkwürdig vorgekommen, aber das war nie weiter schlimm.«
»Nola hat ihre Mutter auf dem Gewissen, David! Sind Sie sich darüber im Klaren, wie ernst die Situation ist?«
David Kellergan zitterte. Er weinte. In seinem Kopf drehte sich alles, er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er musste sich übergeben, und Jeremy Lewis reichte ihm einen Papierkorb, damit er sich erleichtern konnte.
»Bitte sagen Sie der Polizei nichts, Jeremy, ich flehe Sie an!«
»Aber die Sache ist sehr ernst, David!«
»Bitte sagen Sie nichts! Um Himmels willen, sagen Sie nichts. Wenn die Polizei das erfährt, kommt Nola ins Gefängnis oder wer weiß wohin. Sie ist doch erst neun!«
»Dann müssen wir uns um sie kümmern«, beschloss Lewis. »Nola ist von bösen Geistern besessen, wir müssen sie heilen.«
»Nein, Jeremy! Bitte nicht!«
»Wir müssen ihr den Teufel austreiben, David. Es ist die einzige Möglichkeit, sie vom Bösen zu befreien.«
»Ich habe ihr den Teufel ausgetrieben«, erklärte uns Pfarrer Lewis. »Wir haben mehrere Tage lang versucht, den Dämon aus ihrem Körper zu verjagen.«
»Was ist das für ein Wahnsinn?«, sagte ich leise.
»Also wirklich!«, erregte sich Lewis. »Warum sind Sie so skeptisch? Nola war nicht mehr sie selbst: Der Teufel hatte Besitz von ihrem Leib ergriffen!«
»Was haben Sie mit ihr angestellt?«, fragte Gahalowood mit dröhnender Stimme.
»Normalerweise reichen Gebete aus, Sergeant!«
»Lassen Sie mich raten: Bei ihr haben sie nicht gereicht!«
»Der Teufel war stark! Also haben wir ihren Kopf in einen Kübel mit Weihwasser getaucht,
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