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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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weil mein Mann gesagt hatte, er wäre müde. Ich bin früher als gedacht zurückgekommen. Allein spazieren zu gehen ist eben doch nicht so lustig. Ich bin zu unserem Zimmer gegangen, habe die Tür mit der Schlüsselkarte geöffnet und die beiden zusammen im Bett erwischt. Er hat auf ihr gelegen, auf meiner besten Freundin! Es ist irre, aber mit diesen Schlüsselkarten kann man praktisch lautlos die Zimmer betreten. Sie haben mich weder gesehen noch gehört. Ich habe ihnen kurz zugeschaut und gesehen, wie sich mein Mann abgerackert hat, um sie wie ein Hündchen zum Winseln zu bringen, dann habe ich das Zimmer leise verlassen, bin zum Kotzen auf die Toilette und wieder spazieren gegangen. Eine Stunde später bin ich zurückgekommen. Mein Mann hat mit dem Mann meiner besten Freundin lachend an der Bar gesessen und Gin getrunken. Ich habe kein Wort gesagt. Abends ist er wie ein nasser Sack ins Bett gefallen, hat gesagt, er wäre restlos erledigt, da wäre nichts zu machen, und ist eingeschlafen. Trotzdem habe ich kein Wort gesagt. Sechs Monate lang habe ich kein Wort gesagt.«
    »Und dann haben Sie die Scheidung eingereicht …«
    »Nein. Er hat mich ihretwegen verlassen.«
    »Bereuen Sie, dass Sie nichts unternommen haben?«
    »Ja, täglich.«
    »Also sollte ich etwas tun. Wollen Sie mir das damit sagen?«
    »Ja, tun Sie etwas, Marcus. Machen Sie es nicht wie ich betrogene dumme Kuh.«
    Ich lächelte. »Sie sind alles, nur keine dumme Kuh, Denise.«
    »Marcus, was ist letzte Woche passiert? Was haben Sie herausgefunden?«

    Fünf Tage zuvor
    Am 31. Oktober bestätigte Professor Gideon Alkanor, einer der großen Spezialisten für Kinderpsychiatrie an der Ostküste und ein guter Bekannter von Gahalowood, was im Grunde offensichtlich war: Nola hatte unter einer erheblichen psychischen Störung gelitten.
    Am Tag nach unserer Rückkehr aus Jackson waren Gahalowood und ich mit dem Auto zum Kinderkrankenhaus in Boston gefahren, wo Alkanor uns in seinem Büro empfing. Anhand der Informationen, die Gahalowood ihm vorab hatte zukommen lassen, war er zu dem Schluss gelangt, dass man bei Nola von einer Kindheitspsychose sprechen konnte.
    »Was bedeutet das, grob gesagt?«, preschte Gahalowood vor.
    Alkanor nahm seine Brille ab und putzte sie seelenruhig, als wollte er sich seine Worte reiflich überlegen. Schließlich wandte er sich an mich: »Das bedeutet, dass Sie gar nicht so unrecht hatten, Mr Goldman. Ich habe Ihr Buch neulich gelesen. In Anbetracht dessen, was Sie beschreiben, und der Informationen, die Perry mir geliefert hat, würde ich sagen, dass Nola manchmal den Bezug zur Wirklichkeit verloren hat. Vermutlich hat sie das Zimmer ihrer Mutter während einer ihrer Krisen in Brand gesteckt. In der Nacht zum 30. August 1969 ist Nolas Verhältnis zur Realität gestört: Sie will ihre Mutter töten, und in diesem konkreten Augenblick hat der Akt des Tötens für sie keine Bedeutung. Sie begeht eine Handlung, deren Tragweite ihr nicht bewusst ist. Zu dieser ersten traumatischen Erfahrung kommt später der Exorzismus hinzu, und es ist durchaus vorstellbar, dass die Erinnerung daran der Auslöser für ihre spätere Persönlichkeitsspaltung ist, bei der Nola die Rolle der Mutter übernimmt, die sie getötet hat. Und ab da wird alles richtig kompliziert: Jedes Mal, wenn Nola den Bezug zur Realität verliert, setzt ihr die Erinnerung an ihre Mutter und ihre Tat zu.«
    Mir verschlug es für einen Moment die Sprache. »Sie wollen damit sagen, dass …«
    Alkanor nickte, und bevor ich meinen Satz beenden konnte, fuhr er fort: »… Nola sich in diesen sogenannten Dekompensationsphasen selbst schlug.«
    »Und was kann solche Krisen auslösen?«, erkundigte sich Gahalowood.
    »Vermutlich starke Gefühlsschwankungen: Stress, tiefe Trauer … Dinge, die Sie in Ihrem Buch beschreiben, Mr Goldman: die Begegnung mit Harry Quebert, in den sie sich unsterblich verliebt, dann die Zurückweisung durch ihn, die sie zu ihrem Selbstmordversuch treibt. Das klassische Schema, würde ich sagen. Immer wenn ihre Gefühle sie überfordern, dekompensiert sie, und dann erscheint ihr ihre Mutter, um sie für das, was sie getan hat, zu bestrafen.«
    Nola und ihre Mutter waren also die ganze Zeit lang eine Person gewesen. Jetzt fehlte uns nur noch die Bestätigung von David Kellergan, und so begaben wir uns am Samstag, den 1. November 2008, als Abordnung in die Terrace Avenue 245: Gahalowood, ich und Travis Dawn, den wir über das, was wir in Alabama erfahren

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