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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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ein zweites Mal töten.«
    »Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen, Mr Stern.«
    »Luther war von Nola besessen. Er hat eine Menge Zeit in Aurora verbracht und sie beobachtet …«
    »Das weiß ich. Ich weiß auch, dass Sie ihn einmal in Goose Cove ertappt haben. Sie haben mit Sergeant Gahalowood darüber gesprochen.«
    »Aber ich glaube, Sie unterschätzen das Ausmaß von Luthers Besessenheit. Im August 1975 hat er ganze Tage in Goose Cove verbracht. Er hat sich im Wald versteckt und Harry und Nola bespitzelt: auf der Terrasse, am Strand, überall. Überall! Er war vollkommen durchgeknallt, er wusste alles über sie! Alles! Er hat ständig mit mir darüber geredet. Er hat mir jeden Tag erzählt, was sie gemacht und zueinander gesagt hatten. Er hat mir ihre ganze Geschichte erzählt: dass sie sich am Strand kennengelernt hatten, dass sie an einem Buch arbeiteten, dass sie eine ganze Woche zusammen weggefahren waren. Er wusste alles! Alles! Mit der Zeit habe ich begriffen, dass er durch die beiden eine Liebesgeschichte erlebte. Er erlebte so aus zweiter Hand eine Liebe, wie er sie wegen seines abstoßenden Äußeren selbst nie hätte erleben können. Das ging so weit, dass ich ihn tagsüber nicht mehr zu sehen bekam! Mir blieb nichts anderes übrig, als mich selbst hinters Steuer zu setzen, um zu meinen Terminen zu fahren.«
    »Verzeihen Sie, dass ich Sie unterbreche, Mr Stern, aber eines kann ich mir nicht erklären: Warum haben Sie Luther nicht entlassen? Ich meine, das ist doch absurd. Man gewinnt ja den Eindruck, dass Sie Ihrem Angestellten hörig waren: Er verlangt, Nola malen zu dürfen, er lässt Sie hängen, um seine Tage in Aurora zu verbringen … Entschuldigen Sie meine Frage, aber was war das zwischen Ihnen? Waren Sie …«
    »Verliebt? Nein.«
    »Aber was war das für ein sonderbares Verhältnis zwischen Ihnen? Sie sind ein einflussreicher Mann, keiner von denen, die sich auf der Nase herumtanzen lassen. Und trotzdem …«
    »Ich stand in seiner Schuld. Ich … Ich … Gleich werden Sie es begreifen. Luther war also von Harry und Nola besessen, und die Sache artete allmählich aus. Eines Tages kam er übel zugerichtet nach Hause. Er erzählte, dass ihn ein Polizist aus Aurora zusammengeschlagen hatte, weil er ihn beim Herumlungern ertappt hatte, und dass ihn eine Kellnerin aus dem Clark’s sogar angezeigt hatte. Diese Geschichte steuerte auf eine Katastrophe zu. Also habe ich zu ihm gesagt, dass er nicht mehr nach Aurora fahren darf, dass er Urlaub nehmen und eine Weile wegfahren soll, zu seiner Familie nach Maine oder sonst wohin. Ich wollte für sämtliche Kosten aufkommen …«
    »Aber er hat sich geweigert«, mutmaßte ich.
    »Er hat sich nicht nur geweigert, sondern auch noch von mir verlangt, dass ich ihm einen Wagen leihe, weil er fand, dass sein blauer Mustang mittlerweile zu auffällig war. Natürlich habe ich das abgelehnt und gesagt, jetzt reicht es. Da hat er gerufen: ›Du verstehst das nicht, Eli! Sie wollen weggehen! In zehn Tagen, am 30., gehen sie für immer zusammen weg! Das haben sie am Strand beschlossen! Am 30. werden sie für immer verschwinden. Ich möchte Nola nur Adieu sagen können, es sind meine letzten Tage mit ihr. Du kannst sie mir nicht vorenthalten, jetzt, wo ich weiß, dass ich sie verlieren werde.‹ Aber ich bin standhaft geblieben und habe ihn im Auge behalten. Dann kam dieser vermaledeite 29. August. An jenem Tag habe ich überall nach Luther gesucht. Er war nirgends zu finden. Sein Mustang stand am gewohnten Platz. Schließlich ist einer meiner Angestellten mit der Sprache herausgerückt und hat mir gestanden, dass Luther mit einem Wagen aus meinem Fuhrpark weggefahren ist, mit einem schwarzen Monte Carlo. Luther hatte behauptet, ich hätte es ihm erlaubt, und da bekannt war, dass ich ihm alles durchgehen ließ, hatte keiner Fragen gestellt. Das hat mich rasend gemacht. Ich bin sofort in sein Zimmer gegangen und habe es durchsucht. Dabei bin ich auf das Gemälde von Nola gestoßen, bei dessen Anblick mir ganz elend wurde, und habe, in einer Schachtel unter seinem Bett versteckt, all diese Briefe gefunden … Briefe von Harry und Nola, die er gestohlen hatte. Offenbar hatte er sie aus ihren Briefkästen herausgefischt. Ich habe auf ihn gewartet, und als er abends nach Hause kam, hatten wir eine schreckliche Auseinandersetzung …« Stern verstummte und starrte ausdruckslos vor sich hin.
    »Was genau ist passiert?«, fragte ich.
    »Ich … Ich wollte, dass er

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