Die Wahrheit über Geld - Wie kommt unser Geld in die Welt und wie wird aus einem Kleinkredit ein großer Finanzcrash (German Edition)

Run lässt sich nicht verheimlichen und niemand gäbe einer Bank in dieser Situation noch Kredit. Damit wäre also auf jeden Fall zu wenig Zentralbankgeld da. Dies gilt übrigens für jede Bank, egal wie groß sie ist.“
    „Auch für Banken, die eigentlich gesund sind?“
    „Selbst für solche, das ist ja das Irrwitzige: Theoretisch kann selbst die gesündeste Bank einfach dadurch zu Fall gebracht werden, dass alle Leute gleichzeitig an ihr Geld wollen. Das passiert jedoch zum Glück normalerweise nicht.“
    „Als normaler Mensch kann man das aber kaum verstehen: Wie können Banken pleitegehen, wenn sie doch dazu in der Lage sind, Geld selbst herzustellen?“
    „Dazu muss man sich nur vor Augen halten, dass das Geld, das eine Bank produziert, aus Sicht dieser Bank nur eine Schuld ist. Deshalb liegt es schließlich auch in der Passiva-Schale ihrer Bilanz. Und deshalb ist dieses selbst produzierte Geld für die Bank im Notfall eigentlich wertlos – so wie für dich deine Schulden wertlos wären, wenn deine Pleite drohte. Wertvoll ist für eine Bank nur jenes Geld, das sie von anderen Banken hat und das deshalb in ihrer Aktiva-Schale liegt, also zum Beispiel das Geld der Zentralbank oder das Interbankengeld.“
    „Wenn nun eine Bank unterzugehen droht, ist in der Praxis aber nicht immer jemand zur Stelle, der sie rettet? Über die Hilfen der Staaten und Notenbanken haben wir ja schon gesprochen.“
    „Das stimmt zwar, aber auf solche Hilfen sollte man sich nicht verlassen, wie die Pleite von Lehman Brothers zeigt.“
    „Gut, wenn eine Bank dann tatsächlich untergeht, gibt es aber doch wenigstens für ihre Kunden noch Rettungsringe in Form der Einlagensicherung. Diese sorgt in Deutschland bei einer Bankpleite zum Beispiel dafür, dass die Kunden kein Geld verlieren – so wie das bei der deutschen Tochter von Lehman Brothers ja auch der der Fall war.“
    „Auch darauf würde ich nicht bauen. In Wahrheit kann die Einlagensicherung nämlich nur Bankpleiten mit überschaubaren Folgen stemmen. Schon der Untergang der mittelgroßen IKB-Bank im Sommer 2007 hätte sie offenbar überfordert.“
    „Die IKB ging doch gar nicht unter, sondern sie wurde in letzter Minute gerettet!“
    „Aber nur, weil es ansonsten richtig geknallt hätte. In der Realität schaut man zuerst, ob es das System überhaupt verkraften würde, wenn man eine angeschlagene Bank bankrottgehen ließe. Wenn ja, lässt man sie pleitegehen. Wenn nein, wird sie gerettet.“
    „War das bei der Hypo Real Estate genauso?“
    „Klar, die HRE war sogar ein noch viel dickerer Brocken als die IKB. In diesem Fall haben wir es auch schwarz auf weiß: In Anhang 3 haben wir nämlich das Protokoll der Krisensitzungen abgedruckt, in denen im Herbst 2008 mit letzter Verzweiflung das Absaufen der HRE verhindert wurde. Darin ist etwas zu lesen, das man ansonsten nicht zu lesen bekommt: Die Beteiligten, so heißt es da, seien sich darin einig gewesen, dass ein ‚Konkurs der Einlagensicherung‘ gedroht hätte, wenn die HRE zahlungsunfähig geworden wäre. Deshalb sei diese Möglichkeit ‚umgehend verworfen‘ worden, wie es im Protokoll heißt. Das ist deshalb bemerkenswert, weil in der Öffentlichkeit über eine Pleite der Einlagensicherung niemals geredet wird. Man hätte viel zu viel Angst davor, damit erst recht Panik zu schüren. Hinter verschlossenen Türen spricht man die Wahrheit aber schon mal aus.“
    „Ohne zu ahnen, dass es an die Öffentlichkeit kommt.“
    „Ja, normalerweise hätte das Protokoll kein Unbefugter zu Gesicht bekommen. Auch uns ist es nur in die Hände gelangt, weil sich ein Bundestags-Untersuchungsausschuss später mit dem Fall beschäftigte. Über irgendeinen Abgeordneten oder sein Büro muss es dann an die Presse gelangt sein.“
    „Und wer war damals an den Krisensitzungen beteiligt?“
    „Alle, die im Bankwesen etwas zu sagen hatten, wie der Bundesbankpräsident, der Chef der Finanzaufsicht oder die Bosse der Deutschen Bank und der Commerzbank. Die vollständige Teilnehmerliste steht im Protokoll.“
    „Wenn aber schon bei der Pleite einer mittelgroßen Bank das ganze System zusammenbricht, dann müsste es doch erst recht gelten, wenn das Vertrauen in mehrere Banken gleichzeitig verloren ginge – oder gar in alle.“
    „Vollkommen richtig. Deshalb darf so etwas schlichtweg nicht passieren!“
    „Und wenn es doch passiert?“
    „Dann würde fast unser ganzes Geld absaufen. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Herbst 2008