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Die Wahrheit und andere Lügen

Die Wahrheit und andere Lügen

Titel: Die Wahrheit und andere Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Arango
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Mietwagen.«
    Â»Dafür übernehmen wir teilweise die Kosten, wenn Ihr Fahrzeug gestohlen wurde.«
    Â»Nicht nötig. Das Auto bezahlt meine Firma.«
    Â»Das ist der …«, er schaute in seine Unterlagen, »… Verlag Moreany?«
    Sie wollte ihm den Kugelschreiber ins Auge stechen, beließ es aber bei einem trockenen »Korrekt«.
    Â»Sie haben den Mietwagen bei Avis gemietet.«
    Er lächelte, als er ihre Überraschung sah. »Der Mietwagen ist ebenfalls durch uns versichert. Ihrer Firma, der …« er schaute erneut in seine Unterlagen »… dem Verlag Moreany liegt kein Mietvertrag vor.«
    Betty merkte, wie ihr das Blut den Hals hochschoss. Auch das bemerkte er, blieb aber sachlich.
    Â»Ich habe mit der Buchhaltung gesprochen, Frau …«, er schaute zum dritten Mal in seine verdammten Unterlagen.
    Â»Eisendraht?«
    Â»Richtig. Sie hat keine Kenntnis von einem Mietvertrag auf Ihren Namen. Aber Frau Eisendraht kennt einen Herrn Henry Hayden.«
    Henrys Name fiel wie ein Schwert. Ihr wurde schwindlig. Wie um alles in der Welt war dieser Kerl auf Henry gekommen?! Der freundliche Herr von der Versicherung studierte ihr Gesicht, registrierte die erhöhte Frequenz ihrer Pulsschlagader, das Wimpernzucken, das Verschieben der Mundwinkel nach unten und den Stellungswechsel ihrer Füße. Mit wachsender Erfahrung machte ihm sein Beruf immer mehr Freude.
    Â»Sie haben als Sicherheit eine Visa-Partnercard vorgelegt. Der Betrag wird von Herrn Haydens Konto abgebucht.«
    Betty riss dem Mann den Fragebogen aus der Hand. »Okay. Ich füll das aus und schicke es Ihnen zu. Sie müssen nichts bezahlen, und ich kündige übrigens.« Dann schloss sie die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Ihr Herz schlug heftig, sie ertastete mit dem Handrücken ihre heißen Wangen.
    Das hatte sie nicht bedacht. Henry hatte ihr die Karte für Notfälle gegeben, um auf gemeinsamen Geschäftsreisen im Ausland Erledigungen und Einkäufe für ihn zu machen. Weil sie selbstverständlich davon ausging, dass Henry für den Mietwagen aufkommen würde, hatte sie seine Karte benutzt. Ausnahmsweise. Damit war jetzt ihre Verbindung zu Henry dokumentiert. Hastig zog sie sich an. In der Eile riss sie sich eine Laufmasche. Erst in der spiegelnden Wand des Lifts auf dem Weg zu Moreanys Büro bemerkte sie, dass der Riss sich von der Wade bis zum Oberschenkel hochgefressen hatte wie eine Blutvergiftung.

XV
    D ie Eisendraht goss den Drachenbaum am Fenster und drehte sich nicht um, als Betty grußlos durch das Vorzimmer in Moreanys Büro trat. Moreany saß blass und sehr still hinter dem Schreibtisch und stand nicht auf, um sie zu begrüßen. Betty schloss die Bürotür.
    Â»Ich möchte etwas klarstellen, Claus«, begann sie, aber bevor sie weitersprechen konnte, streckte Moreany die Hand Richtung Eames Chair aus.
    Â»Setz dich bitte.«
    Sie setzte sich, schlug die Beine übereinander, um die Laufmasche zu verbergen. Es konnte etwas Schönes sein oder etwas sehr Schlimmes, aber die Lappalie mit dem Mietwagen war es sicher nicht. Zwei Tage war sie nicht im Verlag erschienen, eine Ahnung stieg in ihr auf, dass mehrere Ereignisse sich in der Zwischenzeit überschnitten haben mussten. Moreany nahm die Lesebrille ab und legte sie bedächtig auf den vollkommen aufgeräumten Tisch. Sonst war sein Schreibtisch niemals aufgeräumt, auch das kein gutes Zeichen.
    Â»Ich habe dich in eine sehr unangenehme Situation gebracht.« Moreany atmete tief durch. Er kniff die Augen zusammen, das Ganze fiel ihm offensichtlich schwer. »Nimm bitte meine Entschuldigung an und verzeih mir meine … wie soll ich sagen, leidenschaftliche Dummheit.«
    Dann sagte er nichts mehr. Betty wartete noch eine Weile, bis die Stille unerträglich wurde.
    Â»Was ist passiert?«
    Moreany öffnete die Schublade seines Schreibtisches und zog einen geöffneten Umschlag hervor, hielt ihn Betty wortlos hin. Sie stand auf und nahm ihn zögerlich in die Hand.
    Â»Ich habe ihn nur geöffnet, weil er an mich adressiert war.«
    Betty betastete den Umschlag, sah auf der Rückseite den Praxisstempel ihrer Frauenärztin. Mit zwei Fingern zog sie die CD mit den gespeicherten Ultraschallbildern ihres Kindes heraus.
    Â»Es ist ein Mädchen«, sagte Moreany leise, »die Rechnung liegt bei. Erlaube mir, sie für dich zu

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