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Die Wahrheit

Die Wahrheit

Titel: Die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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ist es völlig egal, was Pack an dem Abend mit Ihrer Freundin gemacht hat.«
    »O Scheiße, das is’ doch wohl der Hammer. Ein Kumpel von mir hat letztes Jahr ’nen Typen aufgeschlitzt und zwei Jahre dafür gekriegt, die Hälfte auf Bewährung! Man hat ihm die Untersuchungshaft angerechnet. Nach drei Monaten war er wieder draußen. Und ich soll verdammte fünf Jahre kriegen? Was für ’n beschissener Anwalt sind Sie eigentlich?«
    »Hatte Ihr Kumpel Vorstrafen?« Ist Ihr guter alter Kumpel einer der zehn wichtigsten Leute in einer der schlimmsten Heimsuchungen, unter denen Richmond zu leiden hat, wollte Fiske fragen und hätte es auch getan, hätte er nicht gewußt, daß es reine Zeitverschwendung war. »Also gut - ich schlage der Staatsanwaltschaft drei Jahre vor, unter Anrechnung der Untersuchungshaft.«
    Plötzlich wirkte Derek interessiert. »Glauben Sie, das können Sie rausholen?«
    Fiske erhob sich. »Keine Ahnung. Ich bin nur ein beschissener Anwalt.«
    Auf dem Weg nach draußen schaute Fiske aus einem vergitterten Fenster und beobachtete, wie eine neue Lieferung von Häftlingen aus der Grünen Minna stieg. Sie standen dicht beisammen, und ihre Fußketten schlugen einen metallenen Singsang auf dem Asphalt. Die meisten waren junge Schwarze oder Latinos, die sich jetzt schon gegenseitig taxierten. Herr oder Sklave? Wer kann den ersten Treffer landen, wer kriegt ihn ab? Die wenigen Weißen erweckten den Eindruck, als würden sie vor greller Panik zusammenbrechen und krepieren, noch bevor sie ihre Zellen betreten hatten. Einige dieser jungen Burschen waren vermutlich die Söhne von Männern, die Patrolman John Fiske vor zehn Jahren verhaftet hatte. Damals waren sie noch Kinder gewesen, die von etwas anderem geträumt hatten, als von der Stütze zu leben; kein Daddy im Hause; und die Mutter kämpfte sich durch ein schreckliches Leben, ohne Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Vielleicht aber auch nicht. Die Wirklichkeit verstand sich ausgezeichnet darauf, einen für die Wünsche des Unterbewußtseins zu bestrafen. Träume waren keine Begnadigung, lediglich eine Fortsetzung des Alptraums.
    Als Fiske noch Cop gewesen war, hatten die Gespräche, die er mit Verhafteten führte, sich ständig wiederholt.
    »Ich bring’ dich um, Mann. Ich mach’ deine ganze verdammte Familie kalt«, brüllte der Täter, das Gesicht drogenverzerrt, während Patrolman Fiske ihm die Handschellen anlegte.
    »Oh, oh, oh. Du hast das Recht zu schweigen. Du solltest es lieber in Anspruch nehmen.«
    »Komm schon, Mann, is’ nicht meine Schuld. Mein Kumpel war’s. Er hat mich gelinkt.«
    »Und wo ist dein Kumpel jetzt? Und woher kommt das Blut an deinen Wichsfingern? Und die Knarre in deiner Dreckshose? Woher kommt der Koks, der noch in deinem Riechkolben
    steckt? Ein Kumpel hat das alles getan? Toller Kumpel.«
    Dann warfen die Burschen vielleicht einen Blick auf die Leiche und brachen wimmernd zusammen. »Große Scheiße! Gott im Himmel! Meine Mom! Wo ist meine Mom? Rufen Sie meine Mom an. Bitte! Tun Sie’s für mich, o Gott, tun Sie das, ja? Mom! Oh, Himmel, was für ’ne Scheiße!«
    »Du hast das Recht auf einen Anwalt«, sagte er dann ruhig zu ihnen.
    Und dieser Anwalt war nun aus Patrolman John Fiske geworden.
    Nachdem Fiske noch einige Gerichtstermine in der Innenstadt wahrgenommen hatte, verließ er das John Marshall Courts Building, ein Gebäude aus Glas und Backstein, das nach dem dritten Obersten Richter des Supreme Court der Vereinigten Staaten benannt war. Marshalls damaliges Haus befand sich direkt nebenan und beherbergte nun ein Museum, welches das Andenken an den großen Virginier und Amerikaner aufrechterhalten sollte. Marshall hätte sich im Grab umgedreht, hätte er gewußt, was für abscheuliche Taten in dem Gebäude, das seinen Namen trug, verhandelt und verteidigt wurden.
    Fiske ging die Ninth Street zum James River entlang. Es war in den letzten Tagen schwül und warm gewesen, doch mit der Ankunft der Regenfront hatte es sich abgekühlt, und er zog den Trenchcoat straffer um den Körper. Als es dann tatsächlich zu regnen anfing, rannte er los, und seine Schuhe durchpflügten Pfützen aus schmutzigem Wasser, die sich in den flachen Mulden im Asphalt und Beton des Bürgersteigs gebildet hatten.
    Als er seine Kanzlei am Shockoe Slip erreichte, waren sein Haar und der Mantel patschnaß, und das Wasser lief ihm in winzigen Bächen über den Rücken. Er ließ den Fahrstuhl links liegen, nahm im Treppenhaus immer zwei

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