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Die Wahrheit

Die Wahrheit

Titel: Die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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das Visier einer Waffe. Bis sie ihn das nächste Mal brauchten. Und sie würden ihn brauchen. In diesem Gebäude war er der Zauberer, war er Magic . Hier kam Michael Jordan nicht an ihn heran. Sie waren die dummen Stammeskrieger und er der König des Dschungels. Hilf uns, Tarzan! Sorg für, daß sie uns nicht einbuchten!
    Fiske wußte, was der Mann im Anzug sagte, als könnte er ihm von den Lippen lesen. Der Dicke hatte sich darauf spezialisiert, Bandenmitglieder zu verteidigen. Bei jedem Verbrechen, an dem sie zufällig beteiligt gewesen waren, war die beste Strategie: Ehernes Schweigen, Leute! Ihr habt nichts gesehen, nichts gehört. Ihr könnt euch an gar nichts erinnern. Schüsse? Wahrscheinlich Fehlzündungen eines Motors. Vergeßt nicht, Jungs: Ihr sollt nicht töten! Aber wenn ihr schon töten müßt, solltet ihr euch wenigstens nicht gegenseitig in die Pfanne hauen. Um seinen Worten zusätzlichen Nachdruck zu verleihen, schlug der Fette mit der Handfläche auf seinen Aktenkoffer. Die Gruppe löste sich auf, und das Spiel begann.
    Ein Stück weiter den Gang hinunter saßen auf einer klobigen, mit grauem Teppich bezogenen Bank, die in die Wand eingelassen war, drei Mädchen im Teenageralter, die nachts auf den Strich gingen. Die buntgemischte Gruppe - eine Schwarze, eine Asiatin, eine Weiße - wartete darauf, daß die Rechtsprechung sich ihrer annahm. Die Asiatin wirkte nervös, brauchte wahrscheinlich eine Zigarette zur Beruhigung oder einen Schuß. Den beiden anderen sah man an, daß sie altgediente Bordsteinschwalben waren. Sie schlenderten umher, setzten sich wieder, zeigten ein bißchen Schenkel, wackelten gelegentlich mit den Brüsten, wenn ein alter Knacker oder junger Spund vorüberkam. Warum wegen einer kleinen Sache vor Gericht ein Geschäft sausen lassen? Schließlich war man hier in Amerika.
    Fiske nahm den Fahrstuhl und ging am Metalldetektor und dem Röntgengerät vorüber - heutzutage Standardausstattung in praktisch jedem Gerichtsgebäude -, als Bobby Graham auf ihn zukam, eine unangezündete Zigarette in der Hand. Fiske mochte den Mann weder persönlich noch beruflich. Staatsanwalt Graham suchte sich die Fälle, die er zur Anklage brachte, nach der Größe der Schlagzeilen aus, die sie ihm einbringen würden. Nie übernahm er einen Fall, bei dem er sich wirklich ins Zeug legen mußte, um zu gewinnen. Die Öffentlichkeit mochte keine Staatsanwälte, die den kürzeren zogen.
    »Nur ein kleiner Routineantrag in einem Allerweltsfall, was?« sagte Fiske. »Der große Boß weiß mit seiner Zeit doch eigentlich was Besseres anzufangen, stimmt’s, Bobby?«
    »Vielleicht hatte ich so eine Ahnung, daß Sie einen meiner kleinen Anwälte mit Haut und Haaren fressen und wieder ausspucken wollten. Hätten Sie es mit einem schweren Kaliber zu tun gehabt, wäre Ihnen das nicht so leicht gefallen.«
    »Mit wem denn? Mit Ihnen, zum Beispiel?«
    Mit einem schiefen Lächeln schob Graham sich die Zigarette zwischen die Lippen. »Es ist ein Witz, finden Sie nicht auch?
    Angeblich wohnen wir in der Hauptstadt des Tabaks, die größte Zigarettenfabrik der Welt ist nur einen Katzensprung entfernt, und man darf in den heiligen Hallen der Justiz nicht mal rauchen.« Er kaute am Ende seiner filterlosen Pall Mall und sog lautstark an der kalten Zigarette. In Wirklichkeit waren im Gerichtsgebäude von Richmond Raucherzonen ausgewiesen, nur nicht dort, wo Graham zufällig gerade stand.
    Der Staatsanwalt ließ sich zu einem triumphierenden Grinsen hinreißen. »Ach, übrigens, Jerome Hicks wurde heute morgen wegen Mordverdachts an einem Burschen drüben in der Southside festgenommen. Eine Sache zwischen Schwarzen. Drogen waren auch im Spiel. Mann, was für ’ne Überraschung. Offensichtlich wollte er seinen Koksbestand aufbessern, ohne die normalen Akquisitionskanäle zu benutzen. Aber Ihr guter Jerome konnte nicht ahnen, daß wir sein Opfer beschatten ließen.«
    Fiske lehnte sich müde an die Wand. Siege vor Gericht waren häufig ohne Wert, vor allem, wenn der Mandant seine kriminellen Neigungen nicht im Zaum halten konnte. »Wirklich? Davon wußte ich noch gar nichts.«
    »Ich mußte zu einer Prozeß-Vorbesprechung hierherkommen, und da dachte ich mir, ich sag’s Ihnen persönlich. Kollegiale Höflichkeit.«
    »Wie wahr«, sagte Fiske trocken. »Warum haben Sie Paulie Williams mit seinem Antrag nicht zurückgepfiffen, wenn Sie es schon wußten?« Als Graham nicht reagierte, beantwortete Fiske seine Frage selbst.

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