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Die Wahrheit

Die Wahrheit

Titel: Die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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keiner einzigen Kampfhandlung teilgenommen, war kein einziges Mal in Todesgefahr geraten. Die reinste Ironie, wenn er nach einem Herzinfarkt tot umfiel, während er in einem Militärgefängnis auf amerikanischem Grund und Boden stand.
    Er atmete tief ein, gab seinem Herz den geistigen Befehl, sich zu beruhigen, und fragte sich erneut, warum er überhaupt hergekommen war. Rufus Harms konnte weder ihn noch jemand anderen zu irgend etwas zwingen. Aber nun war Rider hier. Er atmete noch einmal tief durch, befestigte den Besucherausweis an seiner Jacke und umklammerte den beruhigenden Griff des Aktenkoffers, während ein Wächter ihn zum Besucherraum führte.
    Während Rider ein paar Minuten lang allein wartete, betrachtete er das stumpfe Braun der Wände, das mit Absicht verwendet worden zu sein schien, um diejenigen, die ohnehin schon die Hölle durchlebten und am Rande des Selbstmords standen, zusätzlich zu deprimieren. Er fragte sich, wie viele Männer hier hausten, von ihren Mitmenschen eingekerkert, und das aus sehr gutem Grund. Und doch hatten sie alle Mütter, selbst die widerwärtigsten; und bei einigen von ihnen, vermutete Rider, war sogar der Vater mehr als nur ein Samenfleck auf einer Eizelle. Trotzdem waren diese Männer hier gelandet. Hatte das Böse schon in ihrer Wiege gelegen? Möglich. Vielleicht, überlegte Rider, gibt es bald einen Gentest, der den Leuten verrät, ob ihr Kind die Wiedergeburt von Charles Manson ist, während es noch in die Vorschule geht. Aber, verdammt noch mal, was sollen die Leute tun, wenn man ihnen diese schlechte Nachricht überbringt?
    Rider wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Rufus Harms den Besucherraum betrat. Er war wesentlich größer als die beiden Wächter, die ihn hineinführten. Auf den ersten Blick hätte man meinen können, ein Herr würde von seinen Leibeigenen begleitet, doch in Wirklichkeit war es genau umgekehrt. Harms war der größte Mensch, dem Rider je persönlich begegnet war, ein Riese mit außergewöhnlicher Kraft. Auch jetzt schien er den Raum mit seiner Körpermasse auszufüllen. Sein gewaltiger Brustkorb sah aus, als bestünde er aus zwei gegossenen, armierten Betonblöcken, die nebeneinander verankert waren, und die Arme waren dicker als die Oberschenkel der Wächter. Harms trug Schellen an beiden Händen und Füßen, die ihn zwangen, im »Häftlings-Schlurfschritt« zu gehen. Doch er war geübt darin; bei ihm wirkten die trippelnden Schritte seltsam anmutig.
    Er muß an die Fünfzig sein, dachte Rider, sieht aber gut zehn Jahre älter aus. Der Anwalt bemerkte die Narben im Gesicht und den unnatürlich verbogenen Knochen unter Harms’ rechtem Auge. Der junge Mann, den Rider damals verteidigt hatte, besaß gut geschnittene, ebenmäßige Gesichtszüge. Nun aber war dieses Gesicht verwüstet. Rider fragte sich, wie oft Rufus hier verprügelt worden war, und welche anderen verräterischen Beweise von Mißhandlung unter seiner Kleidung verborgen waren.
    Harms ließ sich gegenüber von Rider an einem Holztisch nieder, dessen Oberfläche von Tausenden nervöser, verzweifelter Fingernägel arg zerkratzt war. Er schaute Rider noch nicht an, blickte statt dessen zu dem Wächter hinüber, der im Raum blieb.
    Rider erkannte, was Harms ihm stumm mitteilen wollte. »Gefreiter«, sagte er zu dem Wächter, »ich bin sein Anwalt und möchte ungestört mit ihm sprechen.«
    Die Antwort erfolgte ganz automatisch. »Sie sind hier in einem Hochsicherheitsgefängnis. Jeder Gefangene gilt als gewalttätig und gefährlich. Ich bin zu Ihrer eigenen Sicherheit hier.«
    Die Männer hier waren gefährlich, sowohl die Häftlinge als auch die Wächter. So war es nun mal; es ließ sich nicht ändern.
    »Das verstehe ich«, erwiderte der Anwalt. »Ich bitte Sie ja auch nicht, das Zimmer zu verlassen. Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ein bißchen zurücktreten würden. Ein dem Anwalt und seinem Mandanten verfassungsmäßig zugestandenes Recht - Sie verstehen, nicht wahr?«
    Der Wächter antwortete nicht, ging aber zum anderen Ende des Raumes, vorgeblich außer Hörweite. Schließlich schaute Rufus Harms zu Rider hinüber. »Haben Sie das Radio mitgebracht?«
    »Eine seltsame Bitte, aber ich habe sie erfüllt.«
    »Holen Sie es bitte hervor, und schalten Sie es ein.«
    Rider tat wie geheißen. Sofort wurde der Raum von den traurigen Klängen von Country-Musik erfüllt. Wie hohl, wie gekünstelt die Lieder klingen, dachte Rider unbehaglich. Wenn die Texter einmal wirkliches

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