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Die Wahrheit

Die Wahrheit

Titel: Die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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Elend erleben wollen, wirkliche Hoffnungslosigkeit, sollten sie hierherkommen.
    Als der Anwalt Harms fragend ansah, schaute dieser sich im Raum um. »Hier haben die Wände viele Ohren, und manche kann man nicht sehen, nicht wahr?«
    »Es verstößt gegen das Gesetz, das Gespräch zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten abzuhören.«
    Harms bewegte leicht die Hände, und die Ketten rasselten. »Viele Dinge verstoßen gegen das Gesetz, aber die Leute tun sie trotzdem. Sowohl in diesem Gebäude als auch draußen. Nicht wahr?«
    Rider ertappte sich dabei, wie er nickte. Harms war kein junger, verängstigter Bursche mehr. Er war ein Mann. Ein Mann, der sich unter Kontrolle hatte, obwohl jede Minute, jeder Bereich seines Lebens überwacht wurde. Rider bemerkte überdies, daß sämtliche Bewegungen Harms’ gemessen und genau überlegt waren. Als wäre er in ein Schachspiel vertieft, streckte er langsam die Hand aus, um eine Figur zu berühren, und zog die Hand dann mit ähnlicher Vorsicht wieder zurück. Hier konnte eine schnelle Bewegung tödlich sein.
    Der Häftling beugte sich vor und fing so leise zu sprechen an, daß Rider sich anstrengen mußte, ihn trotz der Musik zu verstehen. »Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind. Es überrascht mich, daß Sie den Weg auf sich genommen haben.«
    »Und mich hat es sehr überrascht, von Ihnen zu hören. Aber es hat wahrscheinlich auch meine Neugier erregt.«
    »Sie sehen gut aus. Die Jahre sind freundlich zu Ihnen gewesen.«
    Rider mußte lachen. »Ich hab’ kaum noch Haare auf dem Kopf und fünfzig Pfund zugelegt. Trotzdem vielen Dank.«
    »Ich will Ihre Zeit nicht verschwenden. Ich möchte, daß Sie bei Gericht einen Antrag für mich stellen.«
    Riders Erstaunen war offensichtlich. »Bei was für einem Gericht?«
    Wenngleich die Musik seine Worte übertönte, sprach Harms noch leiser. »Beim höchsten Gericht, das es gibt. Beim Obersten Gerichtshof.«
    Riders Kinnlade fiel herab. »Das ist ein Witz.« Doch der Ausdruck in Harms’ Augen besagte etwas ganz anderes. »Na schön. Und was genau soll ich beantragen?«
    Mit einer schnellen, geschmeidigen Bewegung zog Harms trotz der Behinderung durch seine Fesseln einen Umschlag aus dem Hemd und hielt ihn hoch. Augenblicklich trat der Wächter heran und riß Harms den Umschlag aus der Hand.
    Sofort protestierte Rider. »Gefreiter, das ist ein vertrauliches Gespräch zwischen Anwalt und Mandant.«
    »Lassen Sie es ihn lesen, Samuel, ich habe nichts zu verbergen.«
    Der Wächter öffnete den Umschlag und überflog den Inhalt des Briefes. Er nickte zufrieden, gab ihn Harms zurück’ und ging wieder zur entfernten Seite des Raumes.
    Harms gab Umschlag und Brief an Rider weiter, der sich beides ansah. Als er wieder aufschaute, beugte Harms sich noch näher an ihn heran und sprach mindestens zehn Minuten lang. Während Harms’ Worte sich über Rider ergossen, riß der Anwalt mehrmals die Augen auf. Schließlich lehnte der Häftling sich zurück und schaute Rider an.
    »Sie werden mir helfen, nicht wahr?«
    Rider konnte nicht antworten, mußte erst noch verdauen, was er gehört hatte. Hätte die Hüftkette die Bewegung nicht unmöglich gemacht, hätte Harms den Arm ausgestreckt und seine Hand über die Riders gelegt - nicht als Drohgebärde, sondern als nachdrückliche Bitte um Hilfe von einem Mann, der seit fast dreißig Jahren keine Hilfe mehr bekommen hatte. »Nicht wahr, Samuel?«
    Schließlich nickte Rider. »Ich werde Ihnen helfen, Rufus.«
    Harms erhob sich und ging zur Tür.
    Rider schob das Blatt in den Umschlag zurück; dann verstaute er ihn und das Radio in seinem Aktenkoffer. Der Anwalt konnte nicht wissen, daß auf der anderen Seite eines großen Spiegels, der an einer Wand des Besucherraums hing, jemand den gesamten Austausch zwischen Häftling und Anwalt beobachtet hatte.
    Und dieser Jemand rieb sich nun das Kinn, in tiefe und sorgenvolle Gedanken versunken.

KAPITEL 5
    Um zehn Uhr erhob sich Richard Perkins, der Marshal des Obersten Gerichtshofs. Er trug einen grauen Frack, der auch die traditionelle Gewandung von Anwälten aus dem Büro des Staatssekretärs im Justizministerium war. Perkins stand an einem Ende des riesigen Richtertisches, hinter der sich neun Ledersessel unterschiedlicher Stilrichtung und Größe, aber alle mit hohen Lehnen befanden; dann schlug er mit seinem Hammer auf ein hartes Kissen. »Der ehrenwerte Oberste Richter und die beigeordneten Richter der Vereinigten Staaten«, verkündete er.
    Der

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