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Die Wahrheit

Die Wahrheit

Titel: Die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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sollte. Vielleicht wußte John besser, wie man sich in einer solchen Situation verhielt. Doch Michael zögerte noch einen Moment. Er wollte sich nicht eingestehen, daß er Hilfe brauchte, besonders nicht von John, von dem er sich entfremdet hatte. Aber es war vielleicht eine Möglichkeit, endlich zu seinem Bruder zurückzufinden. Die Schuld lag nicht ausschließlich auf einer Seite; Michael war mittlerweile reif genug zu erkennen, wie schwierig es mitunter war, den Begriff der Schuld zu definieren.
    Er griff nach dem Telefon und wählte. Doch er bekam nur die Ansage des Anrufbeantworters zu hören, was ihn irgendwie erleichterte. Michael hinterließ eine Nachricht, in der er John um Hilfe bat, verriet aber keine Einzelheiten. Dann legte er auf und kehrte zum Fenster zurück. Wahrscheinlich war es besser gewesen, daß John nicht zu Hause war und den Anruf persönlich entgegengenommen hatte. Sein Bruder neigte dazu, die Dinge lediglich in starre Begriffe zu fassen, alles in Schwarz und Weiß zu sehen - ein verräterischer Hinweis darauf, wie er sein Leben führte.
    Erst in den frühen Morgenstunden schlief Michael ein, nachdem er zuversichtlicher geworden war, mit diesem Alptraum fertig zu werden, ganz gleich, wie er sich entwickelte.

KAPITEL 10
    Drei Tage, nachdem Michael Fiske die Akte aus der Poststelle entwendet hatte, rief Rufus Harms erneut in Sam Riders Kanzlei an, mußte aber erfahren, daß der Anwalt geschäftlich verreist war. Als Rufus in seine Zelle zurückgebracht wurde, kam er im Gang an einem Mann vorbei.
    »Sind ja ’ne Menge Anrufe in letzter Zeit, Harms. Mann, hast du ’nen Postversand aufgemacht, oder was?« Die Wächter lachten laut über die Worte des Mannes. Vic Tremaine war knapp eins achtzig groß, hatte weißblondes, kurzgeschorenes Haar, wettergegerbte Züge und eine Figur wie ein Geschützturm. Er war der stellvertretende Kommandant von Fort Jackson und hatte es sich zur persönlichen Aufgabe gemacht, Harms’ Leben so unerträglich wie möglich zu gestalten. Harms sagte nichts, stand bloß stumm und geduldig da, während Tremaine ihn von oben bis unten musterte.
    »Was wollte dein Anwalt? Ist dem ’ne neue Ausrede dafür eingefallen, daß du das kleine Mädchen abgeschlachtet hast? Geht es darum?« Tremaine trat dichter an den Häftling heran. »Siehst du die Kleine noch im Schlaf? Hoffentlich. Ich höre dir nämlich zu, wenn du in deiner Zelle weinst.« Tremaines Tonfall war unverhohlen spöttisch, die Muskeln an seinen Armen und Schultern spannten sich bei jedem Wort, und die Adern an seinem Hals traten hervor, als hoffe er darauf, Harms würde ausrasten, irgend etwas versuchen - was dann das Ende seiner lebenslänglichen Haftstrafe bedeuten würde. »Du weinst wie ein Baby, Mann. Ich wette, die Eltern von dem kleinen Mädchen haben auch geweint. Ich wette, sie wollten dir die Finger um den Hals legen und dir die Luft abdrehen. Wie du’s bei ihrem Mädchen getan hast. Hast du schon mal darüber nachgedacht?«
    Harms zuckte nicht einmal. Seine Lippen bildeten weiter eine gerade Linie, und er starrte an Tremaine vorbei. Harms hatte Isolationshaft hinter sich, Einzelhaft, Verspottungen, körperliche und geistige Mißhandlungen; alles, was ein Mensch einem anderen Menschen aus Grausamkeit, Furcht und Haß antun konnte, hatte Rufus Harms ertragen. Ganz gleich, was Tremaines Worte besagten oder wie sie vorgebracht wurden, sie konnten die Mauer nicht durchdringen, die Rufus Harms umgab und am Leben hielt.
    Tremaine spürte es und trat einen Schritt zurück. »Schafft mir den Kotzbrocken aus den Augen.« Als die Wächter den Häftling davonzerrten, rief Tremaine ihm hinterher: »Lies wieder in deiner Bibel, Harms. Näher wirst du dem Himmel nicht kommen.«
    John Fiske eilte der Frau hinterher, die über den Korridor des Gerichtsgebäudes ging. »He, Janet, haben Sie eine Minute Zeit für mich?«
    Janet Ryan war eine sehr erfahrene Anklägerin, die zur Zeit ihr Bestes gab, einen von Fiskes Mandanten für viele Jahre hinter Gitter zu bringen. Außerdem war sie attraktiv und geschieden. Als sie sich zu John umdrehte, lächelte sie. »Für Sie auch zwei Minuten.«
    »Es geht um Rodney ...«
    »Moment mal, helfen Sie mir auf die Sprünge. Ich habe viele Rodneys.«
    »Einbruch, Elektrowarengeschäft, North Side.«
    »Er war bewaffnet, die Polizei hat ihn verfolgt ... vorbestraft ... jetzt fällt es mir wieder ein.«
    »Genau. Auf jeden Fall will keiner von uns diesen Trottel vor Gericht

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