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Die Wahrheit

Die Wahrheit

Titel: Die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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helfen. Trotz seiner gegenteiligen Behauptung hatte Michael sich von ihr zurückgezogen. Er hatte die Zurückweisung längst nicht verkraftet. Aber wer hätte das schon, fragte sich Sara.
    Abrupt sprang sie auf, lief zum Haus, hob den Hörer ab und wählte Michaels Nummer, hielt dann aber inne. Michael Fiske war stur. Wenn sie ihn nun darauf ansprach, was sie gesehen hatte, wurde alles nur noch schlimmer. Sara legte auf. Sie mußte warten, bis Michael von sich aus auf sie zukam.
    Sie ging wieder hinaus, schaute auf das Wasser. Ein Jet flog vorüber, und Sara winkte ihm automatisch zu - eine Art Ritual von ihr. Doch die Maschinen flogen hier tatsächlich so tief, daß ein Passagier Sara durchaus hätte sehen können, wäre es hell gewesen. Als sie die Hand wieder senkte, fühlte sie sich so deprimiert wie seit dem Tod ihres Vaters nicht mehr, der sie ganz allein zurückgelassen hatte.
    Nach dem Tod des Vaters hatte Sara ein neues Leben angefangen. War an die Westküste gegangen, hatte Jura studiert und einen ausgezeichneten Abschluß gemacht. Sie hatte als Rechtspraktikantin am Neunten Berufungsgericht gearbeitet und dann den Job beim Obersten Gerichtshof angenommen. Anschließend hatte sie die Farm in North Carolina verkauft und dieses Haus erworben. Sie war nicht vor ihrem alten Leben geflohen, oder vor der Trauer, die sie überkam, wann immer sie daran dachte, daß ihre Eltern nicht mehr da waren, nicht mehr erlebten, was sie erreicht hatte, sie nicht einmal mehr umarmen konnten.
    Oder war es doch eine Flucht gewesen? Sara glaubte es nicht. Doch irgendwann würde der Tag kommen, da sie das Oberste Gericht verlassen mußte, und sie hatte nicht die geringste Ahnung, was sie dann tun wollte. In der freien Wildbahn der Juristerei konnte sie überall unterkommen. Das Problem war nur, daß Sara sich nicht darüber im klaren war, ob das Recht ein Teil ihres Lebens werden sollte. Drei Jahre Jurastudium, ein Jahr am Berufungsgericht, nun im zweiten Jahr am Supreme Court - und sie fühlte sich jetzt schon ein bißchen ausgebrannt.
    Sie dachte an ihren Vater, einen Farmer, der zugleich das Amt des städtischen Friedensrichters bekleidet hatte. Er hatte keinen schmucken Gerichtssaal gehabt. Doch seine Urteile waren klug und gerecht gewesen. Er hatte sie sich draußen auf den Feldern überlegt, während er auf seinem Traktor saß oder während er sich wusch, weil es gleich Abendessen gab. Für Sara bedeutete das Gesetz genau das - und auch für die meisten anderen Menschen, glaubte sie wenigstens. So sollte es jedenfalls sein: Die Suche nach der Wahrheit. Und dann, nachdem man sie gefunden hatte, der Urteilsspruch, Keine heimlichen Tagesordnungen, keine Wortspiele, vielmehr gesunder Menschenverstand, der sich an die Tatsachen hielt. Sara seufzte. So einfach war es nie. Das wußte sie besser als die meisten anderen.
    Sie ging wieder ins Haus, stellte sich auf einen Stuhl und schnappte sich eine Schachtel Zigaretten vom Küchenschrank. Dann setzte sie sich in die Hollywoodschaukel auf der hinteren Veranda und schaute hinaus aufs Wasser, blickte zum klaren Himmel empor und fand auf Anhieb den Großen Wagen. Ihr Dad war begeisterter Amateurastronom gewesen und hatte ihr viele Sternbilder erklärt. Sara segelte oft nur nach den Sternen; das hatte sie in Stanford gelernt. In einer klaren Nacht konnte man die Sterne niemals verlieren, konnte sich nie verirren, wenn man die Sterne kannte. Das war tröstend. Während Sara die Zigarette rauchte, hoffte sie, daß Michael wußte, was er tat.
    Ihre nächsten Gedanken galten einem anderen Fiske: John. Michaels Bemerkung über sie, Sara, und seinen Bruder war der Wahrheit ziemlich nahegekommen. In dem Augenblick, als sie John Fiske zum erstenmal gesehen hatte, hatte irgend etwas in sämtlichen wichtigen Schaltkreisen ihres Herzens, ihres Hirns und der Seele klick gemacht.
    Sara hatte keine Erklärung dafür. Sie glaubte nicht, daß so bedeutende Gefühle so rasch und mit einer solchen Intensität entstehen konnten. So etwas gab es einfach nicht - und deshalb war sie so verwirrt, denn genau das war ihr widerfahren. Bei jeder Bewegung John Fiskes, bei jedem Wort, das er sprach, jedem Blickkontakt, den er mit jemandem herstellte, ja, wenn er nur lächelte oder die Stirn runzelte, hatte Sara das Gefühl gehabt, ihn ewig betrachten zu können, ohne seiner jemals überdrüssig zu werden. Beinahe hätte sie über die Absurdität dieser Vorstellung gelacht. Andererseits . wie verrückt konnte es

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