Die Wahrheit
bringen.«
»Was im Klartext heißt, John: Ihr Fall steht auf wackligen Füßen, und meine Beweise sind überwältigend.«
Fiske schüttelte den Kopf. »Einige Ihrer Beweise wurden vielleicht nicht rechtmäßig sichergestellt.«
»Vielleicht ist ein ganz komisches Wort, meinen Sie nicht auch?«
»Und das Geständnis hat Löcher.«
»Das ist bei allen Geständnissen so. Aber Tatsache ist, Ihr Mandant ist ein Berufsverbrecher. Und ich werde Geschworene finden, die ihn für lange Zeit hinter Gitter bringen.«
»Warum wollen Sie dann das Geld der Steuerzahler verschwenden?«
»Was schlagen Sie vor?«
»Er gesteht den Einbruch und den Besitz von Diebesgut. Lassen Sie die häßliche kleine Anklage wegen Waffenbesitz fallen. Wir einigen uns auf fünf Jahre unter Berücksichtigung der Untersuchungshaft.«
Janet ging weiter. »Wir sehen uns vor Gericht.«
»Na schön, na schön. Acht Jahre. Aber das muß ich noch mit ihm besprechen.«
Sie drehte sich um und zählte die Punkte an den Fingern ab. »Er gesteht alles, auch den >häßlichen kleinen Waffenbesitze, kriegt zehn Jahre, vergißt die Untersuchungshaft und sitzt die ganze Strafe ab. Danach gibt’s fünf Jahre auf Bewährung. Aber wenn er auch nur an einen Baum neben einer Kirche pinkelt, wandert er ohne Diskussionen für weitere zehn Jahre in den Knast. Sollte er vor Gericht gehen, werde ich zwanzig Jahre beantragen. Und ich will sofort eine Antwort.«
»Verdammt, Janet, wo ist Ihr Mitgefühl geblieben?«
»Das spare ich mir für jemanden auf, der es verdient. Meine Liste ist sehr kurz, wie Sie sich wahrscheinlich denken können. Außerdem ist das ein Angebot unter Freunden. Ja oder nein?«
Fiske trommelte mit den Fingern auf seinen Aktenkoffer.
»Eins ...«, sagte Ryan. »Zwei ...«
»Also gut, also gut. Abgemacht.«
»Es ist ein Vergnügen, Geschäfte mit Ihnen zu machen, John. Übrigens ... warum rufen Sie mich nicht mal an? Sie wissen schon, nach Feierabend?«
»Glauben Sie nicht, daß da irgendwo ein Interessenkonflikt lauert?«
»Überhaupt nicht. Bei meinen Freunden kenne ich erst recht kein Pardon.«
Sie ging summend davon, und Fiske lehnte sich an die Wand und schüttelte den Kopf.
Eine Stunde später war er wieder in seinem Büro und warf den Aktenkoffer aufs Sofa. Er nahm den Hörer von der Gabel und rief die Nachrichten ab, die in seiner Wohnung auf dem Anrufbeantworter eingegangen waren. Während er den Tonbandstimmen lauschte, schrieb er Notizen für eine bevorstehende Anhörung. Als er die Stimme seines Bruders hörte, schrieb er ungerührt weiter. Ein Finger zuckte vor und löschte die Nachricht. Mike rief gelegentlich an, wenn auch nur selten. John hatte ihn nie zurückgerufen.
Wahrscheinlich, sagte er sich, will Mike mich damit nur vor den Kopf stoßen. Doch kaum war ihm dieser Gedanke gekommen, als er auch schon wußte, daß er falsch damit lag.
John stand auf, ging zu einem Bücherschrank, der von Prozeßakten und dicken juristischen Wälzern aus den Nähten zu platzen drohte. Er nahm ein gerahmtes Foto hervor. Es war ein altes Bild. John trug seine Polizeiuniform, und Mike stand neben ihm. Der stolze kleine Bruder, der gerade zum Mann geworden war, und der große Bruder mit ernstem Gesicht - ein Mann, der schon viel Schlimmes im Leben gesehen hatte und damit rechnete, bis zu seinem Tod noch viel mehr davon zu sehen. Ja, er hatte tatsächlich die häßliche Seite der Menschheit kennengelernt, aus erster Hand, und beschäftigte sich noch immer damit, nun jedoch ohne Uniform. Nur einen Aktenkoffer, ein billiger Anzug und ein schnelles Mundwerk. Statt Kugeln wurde mit Worten geschossen. Bis zum Ende seiner Tage.
Fiske stellte das Foto zurück und setzte sich. Doch immer wieder schaute er zu dem Foto hinüber. Plötzlich konnte er sich nicht mehr konzentrieren.
Ein paar Tage später klopfte Sara Evans an die Tür von Michael Fiskes Büro und öffnete sie dann unaufgefordert. Das Zimmer war leer. Michael hatte sich ein Buch von ihr ausgeliehen, das sie nun selbst brauchte.
Sara schaute sich um, entdeckte das Buch aber nirgends. Dann bemerkte sie in der Knieöffnung des Schreibtisches Michaels Aktenkoffer. Sie hob ihn hoch. Am Gewicht erkannte sie, daß sich irgend etwas darin befinden mußte. Der Aktenkoffer war verschlossen, doch Sara hatte ihn sich einige Male geborgt und kannte die Kombination. Sie öffnete ihn und sah sofort zwei Bücher und einige Papiere darin. Das Buch, das sie suchte, war nicht dabei.
Sie war schon im
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