Die Wahrheit
bedeutet, ich muß spätestens diese Nacht hier raus.«
»Diese Frau, die mich anrief . sie hat gesagt, du hättest so was wie ’nen Herzanfall gehabt. Guck dich doch an, Junge. Was meinst du, wie weit du kommst? Oder willst du die verdammten Schläuche und den ganzen anderen Kram, den sie an dich angeschlossen haben, hinter dir herschleifen?«
»Wie weit komme ich denn, wenn ich tot bin?«
»Glaubst du wirklich, die wollen dich umbringen?«
»O ja. Die wollen verhindern, daß die Wahrheit ans Licht kommt. Du hast doch gesagt, du hättest den Brief von der Army gelesen.«
»Hab’ ich.«
»Tja, ich war nie an dem Programm beteiligt, und wenn sie’s noch so steif und fest behaupten.«
Josh blickte den Bruder forschend an. »Wie meinst du das?«
»So, wie ich’s gesagt habe. Jemand hat mich einfach auf die Liste gesetzt. Es sollte so aussehen, als wäre ich dabei gewesen, damit sie vertuschen können, was sie mit mir gemacht haben . und was der wahre Grund dafür war, daß ich das kleine Mädchen getötet habe. Sie mußten wohl so vorgehen - für den Fall, daß jemand die Sache nachprüft. Sie dachten, ich würde draufgehen.«
Josh nahm die Informationen langsam in sich auf, bis ihm schließlich die Wahrheit dämmerte. »Gütiger Himmel! Warum sollten sie dir so eine Scheiße antun?«
»Das fragst du mich? Sie haben mich gehaßt. Dachten, ich sei der größte Scheißkerl auf der Welt. Die wollten mich tot sehen.«
»Wenn ich das alles gewußt hätte, wäre ich damals von ’Nam nach Hause gekommen und hätte denen in den Arsch getreten.«
»Du hattest genug damit zu tun, den Vietkong daran zu hindern, daß er Hackfleisch aus dir macht. Aber glaub mir - wenn ich diesmal zurück in den Knast gehe, machen die reinen Tisch. Dann bringen die mich für immer zum Schweigen.«
Josh schaute zur Tür, blickte dann hinunter auf die Fesseln seines Bruders.
»Ich brauche dabei deine Hilfe, Josh.«
»Da hast du verdammt recht, Rufus.«
»Aber du mußt mir nicht helfen. Du kannst dich umdrehen und einfach hier rausspazieren. Das würde nichts daran ändern, daß ich dich liebe. Du hast die ganzen verdammten fünfundzwanzig Jahre zu mir gehalten. Es ist nicht fair, daß ich dich jetzt um Hilfe bitte. Du hast schwer geschuftet, hast dir im Leben etwas aufgebaut. Ich hätte Verständnis dafür, wenn du jetzt nein sagst.«
»Dann kennst du deinen Bruder aber schlecht.«
Rufus streckte langsam den Arm aus, ergriff Joshs Hand. Sie hielten einander fest, als wollten sie sich gegenseitig Kraft und Entschlossenheit geben für das, was vor ihnen lag.
»Hat jemand dich reinkommen sehen?«
»Nur der Wachtposten. Ich hab’ gar nicht den Haupteingang genommen, hab’ mich praktisch an dieses Zimmer rangeschlichen.«
»Dann könnten wir so tun, als hätte ich dich bewußtlos geschlagen und wäre dann abgehauen. Die wissen, daß ich ein verrückter Hund bin. Ich würde den eigenen Bruder abmurksen, ohne mit der Wimper zu zucken.«
»Blödsinn. So wird das nichts, Rufus. Du weißt doch nicht mal, wohin du gehen sollst, verdammt. Diese Typen hätten dich in zehn Minuten am Arsch. Ich hab’ fast zwei Jahre lang als Bauschreiner in diesem Krankenhaus hier geschuftet und kenne es wie meine Westentasche. Die Tür, durch die ich reingekommen bin, sollte eigentlich immer abgeschlossen sein, aber die Schwestern haben ein Klebeband über das Schnappschloß gezogen. Sie schleichen sich da rein und raus, um draußen eine zu rauchen.«
»Wie willst du die Sache durchziehen?«
»Wir gehen genau den gleichen Weg raus, den ich reingekommen bin. Den Gang entlang, und dann nach links. Da kommen wir an keinem Schwesternzimmer oder sonst ’nem Raum vorbei. Ich hab’ ’nen Wagen direkt vor der Tür stehen. Ne halbe Stunde von hier weg wohnt ein Kumpel von mir. Er war mir ’nen Gefallen schuldig. Ich hab’ meine Rostlaube in seiner Scheune untergestellt und mir für ’ne Weile sein Wohnmobil ausgeliehen. Er hat keine Fragen gestellt und wird auch keine beantworten, falls die Polizei bei ihm aufkreuzt. Wir fahren einfach los und schauen nicht mehr zurück.«
»Willst du das wirklich auf dich nehmen? Was ist mit deinen Kindern?«
»Die sind aus dem Haus. Ich sehe sie nicht mehr oft.«
»Und was ist mit Louise?«
Josh senkte kurz den Blick. »Louise hat mich vor fünf Jahren verlassen. Seitdem hab’ ich sie nicht mehr zu Gesicht bekommen.«
»Das hast du mir nie erzählt!«
»Was hättest du denn getan, wenn ich’s dir gesagt
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