Die Wahrheit
so lange dabei, daß ich das Wort unmöglich in diesem Fall nicht gern benutzen würde.«
»Ich bin Detective bei der Mordkommission, Mr. Perkins«, sagte Chandler, ohne eine Miene zu verziehen, »und glauben Sie mir, ich habe dasselbe Problem.«
»Vielleicht sollten wir noch mal von vorn anfangen«, sagte Dellasandro. »Nach allem, was ich über den Fall weiß, scheint Raub das Motiv gewesen zu sein.« Er spreizte die Hände und schaute Chandler erwartungsvoll an. »Was hat das mit dem Gericht zu tun? Haben Sie schon seine Wohnung durchsucht?«
»Noch nicht. Ich schicke morgen ein paar Leute rüber.«
»Wie können wir dann wissen, daß die Tat nichts mit seinem Privatleben zu tun hat?« fragte Dellasandro.
Alle sahen Chandler an. Der Detective warf einen Blick in sein Notizbuch, ohne sich wirklich darauf zu konzentrieren, bevor er antwortete. »Ich gehe einfach alle Möglichkeiten durch. Es ist keineswegs ungewöhnlich, meine Herren, sich an der Arbeitsstätte eines Mordopfers umzusehen und dort Fragen zu stellen.«
»Natürlich«, sagte Perkins. »Sie können auf unsere uneingeschränkte Kooperation zählen.«
»Warum schauen wir uns dann nicht mal Mr. Fiskes Büro an?« schlug Chandler vor.
KAPITEL 23
Geschmeidig wie eine Katze glitt der Mann über den Gang. Er war über eins fünfundachtzig groß, schlank, aber kräftig gebaut, mit breiten Schultern und starkem Hals. Das Gesicht war lang und schmal, die Haut kastanienbraun und glatt bis auf ein paar tiefe Falten um Augen und Mund, die wie Wirbel von Fingerabdrücken aussahen. Er trug eine zerknitterte BaseballMütze mit dem Firmenzeichen von Virginia Tech. Ein kurzgeschnittener, schwarzer, von grauen Strähnen durchzogener Bart umrahmte sein Kinn. Der Mann trug abgetragene Jeans und ein verblichenes, schweißfleckiges Jeanshemd mit hochgerollten Ärmeln; die bloßen Unterarme waren kräftig, mit deutlich hervortretenden Adern. Aus der Brusttasche des Hemdes lugte eine Schachtel Pall Mall hervor. Er näherte sich dem Ende des Gangs und bog um die Ecke. Als der Soldat, der neben der Tür des letzten Zimmers am Nebenflur saß, den Mann erblickte, sprang er auf und hob die Hand.
»Tut mir leid, Sir, hier hat nur befugtes medizinisches Personal Zutritt.«
»Mein Bruder ist da drin«, sagte Joshua Harms. »Und ich will ihn besuchen.«
»Das ist leider unmöglich.«
Harms schaute auf das Namensschild des Soldaten. »Wohl kaum, Private Brown. Ich besuche meinen Bruder regelmäßig im Gefängnis. Und jetzt lassen Sie mich gefälligst da rein, haben Sie gehört?«
»Nichts zu machen.«
»Na, dann werde ich mich an den Leiter des Krankenhauses, den Chef der hiesigen Polizei und den verdammten Kommandanten von Fort Jackson wenden und denen sagen, daß Sie, Private, einem Familienangehörigen verwehrt haben, einen Verwandten zu besuchen, der im Sterben liegt. Und dann werden diese Herrschaften Ihnen abwechselnd in den Arsch treten, Sie Spielzeugsoldat. Hab’ ich schon erwähnt, daß ich drei Jahre in Vietnam war und genug Orden bekommen habe, um Sie damit wie einen Christbaum zu schmücken? Also, lassen Sie mich jetzt da rein. Oder wollen Sie’s auf die andere Tour?« Pause. »Was ist? Ich hätte gern Ihre Antwort, und zwar auf der Stelle.«
Ein entnervter Gefreiter Brown blickte sich verzweifelt um. Offensichtlich wußte er nicht, was er tun sollte. »Da muß ich erst jemand anrufen.«
»Nein, müssen Sie nicht. Von mir aus können Sie mich vorher durchsuchen, aber ich gehe jetzt da rein. Wird nicht lange dauern. Aber es muß sofort sein.«
»Wie heißen Sie?«
»Joshua Harms.« Er zog seine Brieftasche hervor. »Hier ist mein Führerschein. Ich war im Lauf der Jahre oft im Knast, kann mich aber nicht erinnern, Sie da mal gesehen zu haben.«
»Ich arbeite nicht im Gefängnis«, sagte Brown. »Ich bin nur befristet für diese Aufgabe abgestellt worden. Ich bin Reservist.«
»Reservist? Und Sie schieben bei einem Gefangenen Wachdienst?«
»Die eigentlichen Spezialisten aus dem Militärgefängnis, die mit Ihrem Bruder hierhergeflogen sind, sind heute morgen wieder abgereist. Diese Leute werden dafür sorgen, daß morgen früh eine Ablösung für mich kommt.«
»Wie schön für Sie. Also, bringen wir es jetzt hinter uns?«
Gefreiter Brown starrte Joshua ein paar Sekunden an. »Drehen Sie sich um«, sagte er schließlich.
Josh tat wie geheißen. Brown machte sich daran, ihn abzutasten. »Jetzt nur keine Panik«, sagte Josh, als Brown die Hosentaschen
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