Die Wall Street ist auch nur eine Straße
Formalien des Vertrags gerecht zu werden.
Schon bald ignorierten einige Länder den Vertrag vollständig. Sie machten sich nicht einmal die Mühe, das zu verheimlichen. Wer interessierte sich noch für diesen Vertrag? Alle Leute, die die Vereinbarung unterzeichnet hatten – diejenigen, die davon ausgegangen waren, dass eine gesunde Währung gesunde Volkswirtschaften erfordert –, waren entweder tot oder längst im Ruhestand. Die neuen Politiker wollten wiedergewählt werden, und das passte nicht zu lächerlichen Fantasievorstellungen wie fiskalischer Disziplin.
So wie es jetzt ist, egal unter welcher Regierung, wird es für viele Länder unmöglich sein, jemals ihre Schulden zu tilgen. Das wird nicht geschehen. Wenn das so ist, was soll Europa dann tun? Meine Lösung ist diejenige, die der Markt seit Jahrtausenden durchgesetzt hat: Lasst sie bankrottgehen. Die Leute, die ihnen Geld geliehen oder dort investiert haben, werden Verluste erleiden. In manchen Fällen schmerzliche Verluste. Aber danach kann zum Beispiel Griechenland von einer gesunden Basis aus neu anfangen. Das Land müsste dazu die Eurozone nicht verlassen. Wir in den USA haben schon Pleiten von Bundesstaaten, Bezirken und Städten erlebt. Mississippi wurde nicht aus den USA ausgeschlossen, als der Bundesstaat Bankrott erklärte. New York und Detroit auch nicht. Sie durchlebten eine schmerzhafte Zeit, die Leute verloren Geld, die Löhne sanken, die Mieten sanken und die Friseurbesuche ließen nach. Alles gab im Preis nach, weil sich die Leute der Realität anpassten, dass sie kein Geld hatten und dass sie dieses Geld darum auch nicht mehr ausgeben konnten und dass ihnen niemand Geld leihen würde. Aber sie überstanden das. Und der US-Dollar verschwand auch nicht.
Leider halten Politiker in Griechenland und anderswo den Rückzug aus dem Euro für eine einfache Lösung. Zur Hölle mit dem Euro, wir werden zur Drachme zurückkehren! Und das wäre ein Fehler. Vielleicht gäbe es anfangs einen Ausbruch der Begeisterung. Jeder will diese neue Drachme haben, und für gewisse Zeit scheinen die Dinge in Ordnung zu sein. Aber der Optimismus wird nicht von Dauer sein. Eine Rückkehr zur Drachme wäre für die Regierung nur eine Lizenz zum Gelddrucken und für die Griechen ein Signal, weiterhin Geld auszugeben, das sie nicht haben. Die Drachme hätte einen so niedrigen Wechselkurs, dass dem Land eine wesentlich bessere Handelsbilanz sicher wäre. Aber das Nettovermögen sämtlicher Griechen würde kollabieren. Niemand hätte Vertrauen in die Währung oder in die Griechen selbst. Niemand würde ihnen Geld leihen. Niemand würde dort investieren.
In den nächsten Jahrzehnten werden die Menschen in Griechenland kein großartiges Leben führen. Kein Szenario gibt das her. Und alle Leute, die Griechenland Geld geliehen haben, werden hohe Verluste erleiden. Das wäre anders, wenn Angela Merkel alle diese Leute in einem Raum versammeln und sagen könnte: » Gut. Diese Bank wird geschlossen. Diese Bank bleibt im Geschäft. Dieser Kerl wird rausgeworfen … Ihr alle werdet leiden müssen, aber wir werden den Laden zusammenhalten. Alle Spareinlagen sind sicher, Schecks werden eingelöst, das Geld der Anleger ist geschützt und wir werden den Einfluss der Banken begrenzen. Das System wird nicht zusammenbrechen.« Könnte die deutsche Kanzlerin dies tun, dann würde der Markt dem Glauben schenken, denn derzeit verfügen die Regierungen in Europa über genug Geld. Und sie besitzen auch genug Glaubwürdigkeit. In fünf Jahren kann Merkel vielleicht alle diese Leute in einem Raum versammeln, den ganzen Tag mit ihnen sprechen und niemand würde davon Notiz nehmen. Das Problem wird dann so schlimm sein, dass es sich schon um einen Systemfehler handelt. Der Markt sagt: Zur Hölle mit euch allen – und das ganze System kollabiert.
Und aus meiner Sicht wird auch genau das passieren, weil die Politiker weder die nötige Intelligenz noch den Mut haben, die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Niemand redet über die Rettung der Griechen. Es geht um die Rettung der Banken, der Bankmanager, der Aktionäre und Anleihengläubiger der Banken, die in Griechenland investiert haben. Die Griechen werden leiden, aber die Banken werden überleben. Die Unternehmenschefs werden ihre Gehälter ebenso erhalten wie die Aktionäre ihre Dividenden, die Anleihengläubiger werden überleben. Die Griechen werden arbeitslos auf der Straße stehen. So oder so wird das kommen. Der Unterschied: Auf
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