Die Wall Street ist auch nur eine Straße
Währung ab. Und genau dies hat der Schweizer Franken schon immer geboten. Heute lautet die Frage, ob dies andauern wird.
Ich hatte mein Konto 1970 angesichts bevorstehender Turbulenzen an den Währungsmärkten eröffnet. Am Ende des Jahrzehnts, als die Märkte volatiler wurden, versuchten Menschen aus der ganzen Welt, Schweizer Bankkonten zu eröffnen. Und heute passiert das wieder. Man misstraut dem Dollar, man misstraut dem Euro, und wieder einmal stürzen sich die Leute auf den Franken. 2011 stieg der Schweizer Franken auf Rekordstände gegenüber dem Euro und dem Dollar. Bis August 2011 hatte er gegenüber dem Euro in eineinhalb Jahren um 43 Prozent zugelegt. Nach Ansicht der Schweizerischen Nationalbank (SNB) war dies eine »massive Überbewertung«. Die SNB geriet unter Druck der Schweizer Exportunternehmen und verkündete, der Wert des Franken sei eine »Bedrohung der Wirtschaft«. Man sei »bereit, ausländische Währungen in unbegrenzten Mengen zu kaufen«, um den Wechselkurs zu drücken.
Eine Bedrohung für die Wirtschaft? Die Exporteure beklagten sich, aber jedem anderen Schweizer ging es nun besser. Wenn der Franken steigt, werden sämtliche Importe der Schweizer billiger – Baumwollhemden, Fernsehgeräte oder Autos. Jeder erreicht einen höheren Lebensstandard. Jeder Bürger der Schweiz profitiert von einer stärkeren Währung. Die Zahntechnikerin in Genf jammert nicht. Ihr geht es gut. Alle ihre Einkäufe sind nun billiger. Aber die großen Exporteure rufen bei der Regierung an.
Am Tag der Ankündigung durch die SNB sank der Wechselkurs des Frankens um 7 oder 8 Prozent. Zumindest am Anfang wollte sich niemand mit der Notenbank anlegen. Aber deren Währungsmanipulationen werden katastrophale Auswirkungen zeitigen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten.
Im ersten Szenario werden die Marktteilnehmer weiterhin Schweizer Franken kaufen, was bedeutet, dass die SNB weiterhin viel Geld drucken muss. Dadurch wird die Währung natürlich entwertet. Es gibt in der Schweiz viele bedeutende Exporteure, die davon profitieren könnten, aber die Finanzbranche ist in der Schweiz der bedeutendste Wirtschaftszweig. Die Wirtschaft steht und fällt mit der Fähigkeit des Landes, Kapital anzuziehen. Und die Menschen legen ihr Geld in der Schweiz an, weil sie Vertrauen in die Gesundheit der Währung haben. Sie wissen, dass ihr Geld vorhanden sein wird, wenn sie es haben wollen, und dass es nicht deutlich weniger wert sein wird als zum Zeitpunkt, als sie es investierten. Aber die Leute werden sich nicht mehr danach drängen, ihr Geld in ein Land zu bringen, wo man die eigene Währung absichtlich nach unten drückt. Nach dem Zweiten Weltkrieg und in den folgenden 30 Jahren brachten die Menschen ihr Geld aus dem Vereinigten Königreich heraus, weil der Wert der Währung abstürzte. (Die Politiker schoben die Schuld auf die Gnome von Zürich.) London verlor seine Rolle als Finanzzentrum der Welt, weil die britische Währung nichts mehr taugte. Wenn man den Franken entwertet, wird ihn letztlich auch keiner mehr haben wollen. Damit geht sein Wert verloren; nicht nur als Tauschmedium, sondern auch als sicherer Hafen für Kapital. Das Geld wird nach Singapur oder Hongkong fließen. Die Schweizer Finanzbranche wird austrocknen und verschwinden.
Das andere Szenario ist das, was im Juli 2010 geschah, als die Schweizer letztmals versuchten, ihre Währung zu schwächen. Sie taten dies, indem sie ausländische Währungen kauften und den Franken verkauften, um den Wechselkurs niedrig zu halten. Aber die Marktteilnehmer kauften immer weiter Franken, und nachdem die SNB ihre Bestände an ausländischen Währungen vervierfacht hatte, gab sie auf. Als die Notenbank nicht mehr verkaufte, stieg der Wechselkurs des Frankens, und alle Fremdwährungen, die die Schweizer gekauft hatten (und nun hielten), verzeichneten Wertverluste. Das Land verlor 21 Milliarden Dollar. Letztlich hatte der Markt mehr Geld als die Bank, und natürlich erwiesen sich die Kräfte des Markts letztlich als stärker.
In den späten 1970er-Jahren, als sich alle Welt auf den Franken stürzte, führte die SNB negative Zinsen für ausländische Anleger ein, um sich der Flut entgegenzustemmen. Von jedem, der die Währung kaufte, verlangte die Regierung die Zahlung einer Steuer. Das war nichts anderes als eine Art von Wechselkurskontrolle. Wenn man 100 Schweizer Franken kaufte, hatte man letztlich 70 Franken in der Tasche. Die anderen 30 entfielen auf Steuern. Heute ist der
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