Die Wand
mir immer trostlose, schmutzige Tiere. Hier, auf den glänzenden Fichten, waren sie plötzlich ganz andere Vögel, und ich vergaß meine alte Abneigung. Heute warte ich schon jeden Tag auf ihren Einfall, weil sie mir die Zeit ansagen. Selbst Luchs gewöhnte sich an sie und ließ sie in Ruhe. Er gewöhnte sich überhaupt an alles, woran mir lag. Er war ein sehr anpassungsfähiges Geschöpf. Nur für die Katze blieben die Krähen eine ständige Quelle des Ärgers. Sie saß auf dem Fensterbrett und starrte mit gesträubtem Fell und blanken Zähnen zu ihnen hinüber. Wenn sie sich lange genug aufgeregt und in Wut versetzt hatte, legte sie sich mürrisch auf die Bank und versuchte,ihren Ärger in Schlaf zu ertränken. Oberhalb der Hütte hatte eine Eule gelebt. Seit die Krähen kamen, war sie abgezogen. Ich hatte nichts gegen die Eule, aber da wir vielleicht junge Katzen erwarteten, war es mir ganz recht, daß die Krähen sie vertrieben hatten.
Gegen Ende Februar war der Zustand der Katze nicht mehr zu übersehen. Sie war dick geworden und schwankte zwischen schlechter Laune und Zärtlichkeitsanfällen. Luchs stand fassungslos vor dieser Veränderung. Erst als er ein kräftiges Kopfstück abbekam, wurde er vorsichtig und zog sich von seiner launischen Freundin zurück. Er schien vergessen zu haben, daß sich das alles schon einmal genauso abgespielt hatte. Diesmal würde es wohl keine Perle geben, und es war auch viel besser so. Mit Sicherheit konnte man bei einer so gemischten Abstammung natürlich gar nichts sagen. Gegen alle Vernunft hatte ich angefangen, mich auf den Nachwuchs zu freuen. Der Gedanke daran lenkte mich ab und beschäftigte mich. Mein Gemütszustand besserte sich überhaupt, je länger es am Abend hell blieb und je mehr sich der Frühling näherte. Der Winter im Wald ist fast nicht auszuhalten, besonders wenn man keine Gefährten hat.
Soviel wie möglich hielt ich mich schon im Februar im Freien auf. Die Luft machte mich müde und hungrig. Ich besichtigte meinen Erdapfelvorrat und fand, daß ich sparen mußte, um bis zur nächsten Ernte durchzukommen. Das Saatgut durfte auf keinen Fall angerührt werden. Im Sommer würde ich wohl wieder fast ausschließlich von Fleisch und Milch leben müssen. Aber ich konnte dieses Jahr meinen Acker vergrößern. Die Erdäpfel aß ich mit der Schale, wegen der Vitamine. Ich weiß nicht, ob das wirklich nützte, jedenfalls munterte mich schon der Gedanke daran ein wenig auf. Jeden zweiten oderdritten Tag gönnte ich mir einen Apfel, und zwischendurch kaute ich die winzigen Holzäpfel, die so herb sind, daß man sie fast nicht schlucken kann. Von ihnen besaß ich genug für den ganzen Winter. Bella gab jetzt so viel Milch, daß der Stier sie nicht leertrinken konnte und ich sogar ein wenig Butterüberschuß hatte und Butterschmalz erzeugen konnte. Die Lebensmittelversorgung war im Winter besser als im Sommer, weil das Fleisch viel länger genießbar blieb. Was mir fehlte, waren nur Obst und Gemüse. Ich wußte nicht, wie lange der Stier bei seiner Mutter trinken sollte, und suchte in allen Kalendern nach Aufklärung, fand aber kein Wort darüber. Sie waren eben für Leute geschrieben, die die Grundbegriffe der Landwirtschaft kannten. Meine Unwissenheit machte das Leben manchmal aufregend für mich. Ich ahnte überall Gefahren, die ich nicht rechtzeitig erkennen konnte. Immerzu mußte ich auf unangenehme Überraschungen gefaßt sein und konnte nichts tun, als sie mit Gleichmut ertragen.
Ich ließ den Stier vorläufig trinken, soviel er mochte. Es hing ja alles davon ab, daß er bald groß und stark wurde. Ich hatte keine Ahnung, wie alt ein Stier sein muß, um ein Kalb herstellen zu können, aber ich hoffte, er würde seine Mannbarkeit rechtzeitig zu verstehen geben. Ich war mir im klaren darüber, daß mein Plan ein wenig abenteuerlich war, aber es blieb mir nichts anderes übrig, als auf sein Gelingen zu hoffen. Ich wußte nicht, wie eine derartige Inzucht sich auswirken würde. Vielleicht würde Bella in diesem Fall gar kein Kalb bekommen, oder eine Mißbildung würde in ihr heranwachsen. Auch darüber war in den Kalendern nichts zu finden. Es war ja wohl nicht üblich gewesen, einen Stier mit seiner Mutter zu kreuzen. Da ich nicht gern planlos dahinlebe und im dunkeln tappe, fiel es mir sehr schwer,die Ruhe zu bewahren. Ungeduld war immer schon einer meiner schlimmsten Fehler, aber im Wald habe ich gelernt, sie bis zu einem gewissen Grad zu bändigen. Die Erdäpfel
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