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Die Wand

Titel: Die Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlen Haushofer
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alles, was mir von den Blumen des ersten Frühlings geblieben ist, die Erinnerung an jene Veilchen und an die kühle Glätte der Wand auf meinen Handflächen.
    Um den zehnten Mai fing ich an, eine Liste der Gegenstände aufzustellen, die ich auf die Alm mitnehmen wollte. Es war wenig, aber noch immer viel zuviel, wenn ich bedachte, daß ich alles auf dem Rücken hinaufschleppen mußte. Ich musterte aus und musterte aus, und immer noch war es zuviel. Schließlich teilte ich alles in Rationen ein. Ich mußte für den Umzug mehrere Tage verwenden, da ich bergauf nicht so viel schleppen konnte. Jeden Tag überlegte ich, wie ich alles am rationellsten und besten lösen könnte. Am vierzehnten Mai wurde das Wetter endlich wieder freundlich und mild, und ich mußte die Erdäpfel einlegen. Ich war ohnedies spät dran, länger durfte ich nicht mehr zuwarten. Den Acker hatte ich im Herbst schon vergrößert; bei der Arbeit merkte ich aber, daß er immer noch zu klein war und stach noch ein Stückchen Land um. Ich steckte dort Zweige in den Boden, weil ich wissen wollte, ob sich derDünger bei der Ernte auswirken würde. Ich hatte die eine Seite des Zaunes entfernen müssen und fertigte ihn jetzt neuerlich aus Ästen und Lianen an. Endlich war ich auch damit fertig. Es blieben mir jetzt nicht mehr viel Erdäpfel, aber ich war froh, das Saatgut nicht angerührt zu haben.
    Am zwanzigsten Mai fing ich mit der Übersiedlung an. Ich packte Hugos großen Rucksack und meinen eigenen und machte mich mit Luchs auf den Weg. Die Almwiese war schneefrei, und das junge Gras stand grün und feuchtglänzend unter dem blauen Himmel. Luchs tollte übermütig auf dem weichen Rasen dahin. Irgend etwas zwang ihn, sich immerfort zu wälzen, und er sah dabei sehr ungeschickt und komisch aus. Ich packte die Rucksäcke aus, trank Tee aus der Flasche und legte mich dann auf den Strohsack ins Bett, um ein wenig auszuruhen. Die Hütte bestand aus einer Küche mit Bett und einer kleinen Kammer. Ich hielt es nicht lange auf dem Strohsack aus, es drängte mich, den Stall zu besichtigen. Er war natürlich viel größer als mein Stall und viel sauberer gehalten als die Hütte. Der Weg zum Brunnen war nicht weit, vielleicht dreißig Schritt von der Hütte, und er schien in Ordnung zu sein, wenn auch das Holzrohr schon ein wenig morsch war. Im Stall lag ein kleiner Stapel Holz, es mochte für zwei Wochen reichen. Im übrigen wollte ich mich den Sommer über mit Fallholz behelfen. Eine Axt war auch vorhanden, und mehr brauchte ich nicht. Wichtig war das Milchgeschirr, mehrere Eimer und Tongefäße, in denen früher wahrscheinlich Käse erzeugt worden war. Auch Kochgeschirr brauchte ich nicht zu bringen, es war für eine Person genug davon vorhanden. Es fiel mir auf, daß das Milchgeschirr im Gegensatz zum Kochgeschirr peinlich saubergehalten war, ebenso wie der Stall im Gegensatz zurHütte. Der Senn schien private und dienstliche Belange streng getrennt behandelt zu haben.
    Ich beschloß, auch die Lampe in der Hütte zu lassen und mich mit Kerzen und einer Taschenlampe zu begnügen. Den kleinen Spirituskocher wollte ich aber mitnehmen, damit ich an warmen Tagen den Ofen nicht heizen müßte. Für Bella und den Stier lohnte sich die Übersiedlung gewiß. Hier oben war es licht und sonnig, und gutes Futter für Monate gab es auch. Schließlich, der Sommer würde schnell vorüber sein, und vielleicht konnte ich in der Sonne und trockenen Luft meinen Rheumatismus ganz ausheilen. Luchs beschnüffelte interessiert jeden Gegenstand und schien durchaus einverstanden mit allem, was ich vorhaben mochte. Es war eine seiner liebenswertesten Seiten, daß er alles gut und schön fand, was ich tat, aber es war auch gefährlich für mich und ermutigte mich oft dazu, Dinge zu tun, die unvernünftig oder waghalsig waren.
    In den folgenden Tagen brachte ich nach und nach alles auf die Alm, was ich unbedingt zu brauchen glaubte, und am fünfundzwanzigsten Mai kam der Tag des Abschieds vom Jagdhaus. In den letzten Tagen hatte ich Bella und den Stier auf der Lichtung grasen lassen, damit der Kleine sich ein wenig an das Gehen im Freien gewöhnte. Die Umstellung hatte den Stier in freudige Erregung versetzt. Er hatte ja nichts gekannt als den ewig dämmrigen Stall. Der erste Tag auf der Wiese war vielleicht der glücklichste Tag in seinem Leben. Ich legte einen Zettel auf den Tisch: Bin auf die Alm gezogen, und dann versperrte ich das Jagdhaus. Während ich den Zettel schrieb,

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