Die Wand
Katze, und sie kam nicht. Dann strich ich das Bett glatt, versperrte die Tür und wanderte bergauf.
Es war schon sieben Uhr, als ich auf die Alm kam, und ich ging sofort in den Stall und molk die ungeduldige Bella, die schon unruhig war, bedrängt von der angestauten Milch. Dann, da es so schön war, ließ ich sie und Stier auf die Weide und pflockte sie an. Tiger lag auf meinem Bett und begrüßte mich zärtlich und vorwurfsvoll. Diesmal hatte er gefressen und getrunken, weil er nicht eingesperrt gewesen war. Ich gab ihm warme Milch, wusch mich, stellte den Wecker auf drei und schlief sofort ein. Gleich darauf lief der Wecker schon ab, und ich erhob mich taumelnd vom Bett. Die Hüttentür hatte ich angelehnt gelassen, weil Luchs am Abend noch im Freien gewesen war. Das Mondlicht fiel auf den Bretterboden und überflutete die Wiese mit kaltem Glanz. Luchs lag auf der Türschwelle; der Arme hatte mich bewacht und nicht gewagt, ins Ofenloch zu kriechen. Ich lobte und streichelte ihn, und gemeinsam holten wir Bella und Stier von der Weide. Ich führte sie in den Stall, molk Bella und ließ Wasser und Futter zurück. Tiger lag noch im Kasten und rührte sich nicht. Wie am Vortag stiegen wir im ersten Frühlicht zu Tal. Die Sterne verblaßten, und im Osten stieg die erste Röte auf.
An jenem Morgen war das Mähen eine Qual, jede Bewegung schmerzte, und ich kam langsamer vorwärts als am ersten Tag. Und wieder legte ich mich nach drei Stunden erschöpft unter einen Haselbusch und schlief. Um Mittag erwachte ich. Luchs saß neben mir, den Blick unverwandt ins Tal gerichtet, wo das Gras wild und hoch stand, vom Weiß der Blütenrispen und Fächer überstäubt. In einem Land ohne Bienen, Heuschrecken und Vögel, in dem die tödliche Stille unter der Sonne brütete. Luchs sah sehr ernst und einsam aus. Zum erstenmal sah ich ihn auf diese Weise. Ich bewegte mich ganz leicht, und er wandte sofort den Kopf, bellte freudig auf, undsein Blick wurde lebhaft und warm. Die Einsamkeit war vorübergegangen, und er vergaß sie auf der Stelle. Dann trabte er zum Bach, und ich fing an, das Heu zu wenden. Das Heu vom Vortag konnte ich schon in den Stadel bringen, es war ganz trocken, bis auf einen Rest, der zu sehr im Schatten lag. Diesmal kam ich erst um acht auf die Alm zurück und konnte Bella und Stier freilassen. Tiger wurde lästig. Da er den ganzen Tag allein gewesen war, wollte er jetzt spielen, und ich war kaum noch fähig, mich zu bewegen.
Am folgenden Tag mähte ich weniger, denn je höher ich kam, desto rascher erreichte mich die Sonne. Das Wetter blieb die ganze Woche schön, und ich war froh, mich an die alte Wetterregel vom zunehmenden Mond gehalten zu haben. Am achten Tag regnete es, und ich blieb zu Hause. Die halbe Wiese war abgeerntet, und ich hatte Ruhe nötig, denn ich schleppte mich nur noch dahin. Vor Müdigkeit hatte ich fast nichts gegessen und nur Milch und Tee getrunken. Auch für Bella war es gut, wieder nach der alten Ordnung gemolken zu werden. Ihre Milch war ein wenig zurückgegangen. Still und grau regnete es vier Tage lang. Der Regen fiel in winzigen Tropfen. Auf dem Bett ruhend, sah ich Wiese und Berge wie durch Spinnweben. Ich sägte ein wenig Fallholz und versorgte uns mit Fleisch. Vom letzten Hirsch hatte ich wegen der heißen Tage ein Drittel wegwerfen müssen. Eine Verschwendung, die mir in tiefster Seele zuwider war, gegen die ich aber nichts tun konnte. Den größten Teil der vier Tage verschlief ich oder spielte mit Tiger, der, wenn es regnete, nicht auf die Wiese gehen mochte. Meine Hände waren wund und zerstochen und heilten nur langsam. Immer noch taten mir jeder Muskel und jeder Knochen weh, aber der Schmerz berührte mich kaum, so, als ginge es mich gar nichts an.
Am fünften Tag klarte es gegen Mittag auf, und am Nachmittag brach die Sonne durch. Die Regenkühle lag noch in der Luft, und das Wasser zitterte auf den Gräsern. Stier galoppierte übermütig auf der Wiese hin und her, und Tiger setzte vorsichtig seine Pfoten ins Gras, ehe er sich zu einer kleinen Jagd entschloß. Auch Luchs ermunterte sich, schüttelte den Schlaf aus dem Fell und unternahm kleine Inspektionsgänge. Ich mähte Gras (natürlich gab es auf der Alm eine Sense) und trug es in den Stall. Die schöne Zeit für Bella und Stier war bald zu Ende. Das Wetter blieb jetzt vier Tage schön, dann wurde es schwül, und der Himmel trübte sich ein.
Ich hatte die Wiese zu zwei Dritteln abgeerntet und wanderte in der dumpfen
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