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Die Wand

Titel: Die Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlen Haushofer
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jede Woche einen Regentag zum Ausschlafen. Aber keiner kümmerte sich um unsere Ungeduld, und wir mußten noch vier weitere Tage dem sanften Rieseln und Plätschern lauschen. Wenn ich mit Luchs in den Wald ging, schlugen die Zweige naß um meine Beine, und die Feuchtigkeit zog sich in mein Gewand. Manchmal verschwimmen die Regentage für mich in der Erinnerung zu einem monatelangen Tag, indem ich trostlos ins graue Licht starrte. Aber ich weiß genau, daß es in den zweieinhalb Jahren nie länger als zehn Tage hintereinander regnete.
    Inzwischen hatte sich im Stall etwas angebahnt, das mich in Schrecken versetzte. Bella verlangte nach einemGatten und brüllte den ganzen Tag. Das war nichts Neues, es wiederholte sich alle paar Wochen, und ich hatte mir angewöhnt, es nicht zu beachten, weil ich ihr nicht helfen konnte. Wieso ich aber nie weiter gedacht hatte, verstehe ich heute kaum. Irgend etwas in mir mußte den Gedanken unterdrückt haben, Stier könnte eines Tages erwachsen werden. Dabei wartete ich doch seit seiner Geburt auf diesen Zeitpunkt. Jedenfalls überraschte ich ihn eines Tages dabei, daß er sich seiner Mutter sehr eindeutig näherte. Meine erste Reaktion war Ärger und Schrecken. Er hatte sich vom Strick losgerissen und stand zitternd und mit rotgeäderten Augen vor mir. Eigentlich sah er schrecklich aus. Er ließ sich aber willig festbinden, und nichts weiter geschah.
    Ich ging zunächst einmal ins Haus und setzte mich an den Tisch, um nachzudenken. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich verhalten mußte. Durfte ich die beiden Tiere überhaupt beieinander lassen, ohne Bella, die schwächer war als Stier, zu gefährden? In der folgenden Zeit wurde Stier immer zudringlicher, und Bella schien sich vor ihm zu fürchten. Ich mußte die beiden trennen. So erwünscht Stiers Mannbarkeit war, zunächst hatte ich nichts als Ärger ihretwegen. Es wurde mir klar, daß ich ihm einen eigenen festen Verschlag im Stall bauen mußte, aus dem er nicht ausbrechen konnte. Bretter waren für ihn nicht stark genug, es mußten Stämme sein. Ich schnitt auch zwei junge Bäume um, aber dann sah ich ein, daß ich den Verschlag nicht bauen konnte. Ich war zu schwach und ungeschickt für richtige Zimmermannsarbeit. Ich weinte vor Zorn und Enttäuschung, und dann fing ich an, eine andere Lösung zu suchen. Stier mußte in die Garage übersiedeln. Dieser Entschluß brachte eine Menge Arbeit mit sich. Ich mußte das Heu in einer der oberen Kammern unterbringen. Es war mühsamfür mich, das Heu von dort jeden Tag in zwei Ställe zu tragen, und für Stier bedeutete die Umstellung eine Verbannung in Kälte und Dunkelheit. Aber ich hatte keine Wahl.
    Ich grub in der Garage eine Rinne, um den Unrat abfließen zu lassen, und bedeckte den Boden mit Brettern und Streu, dann holte ich die zweite Bettstatt aus dem Stall, die Stier schon immer als Futterbarren gedient hatte, und da ich mich nicht mit der Dunkelheit abfinden konnte, schnitt ich mit der Säge ein Fenster aus der Bretterwand und nagelte mit Leisten über die Öffnung eine Scheibe aus einer der Kammern. Jetzt war wenigstens ein wenig Licht in der Garage. Dann verschmierte ich die Ritzen der Wände mit Erde und Moos, füllte Heu in die Raufe und stellte ein Schaff Wasser hinein. Und dann holte ich Stier. Er war nicht glücklich über die Übersiedlung, und ich war es auch nicht. Er stand, den großen Schädel traurig gesenkt, dumpf vor sich hin starrend und ließ alles willig mit sich geschehen. Er hatte nichts verbrochen und wurde bestraft dafür, daß er erwachsen war. Ich ging mit Luchs in den Wald, um das Gebrüll von Mutter und Sohn nicht mehr hören zu müssen. Mir blieb die doppelte Stallarbeit und das Gefühl, eine Grausamkeit begangen zu haben. Die armen Tiere hatten nichts besessen als einander und die endlose geheime Zwiesprache ihrer warmen Leiber. Ich hoffte, daß Bella ein Kalb empfangen hätte und bald nicht mehr einsam sein würde. Für Stier sah ich gar keine Hoffnung.
    Es zeigte sich nach drei Wochen, daß Stier doch noch nicht reif gewesen war oder daß Bella nach der langen Wartezeit nicht mehr fähig war zu empfangen. Übrigens weiß ich das heute noch nicht mit Gewißheit. Als Bella wieder zu brüllen anfing, führte ich Stier, der mich freudig hinter sich nachschleifte, zu ihr. Die ganze Zeit überwar ich außer mir vor Angst, Stier könnte seine zarte, kleine Mutter verletzen oder gar umbringen. Er führte sich auf wie ein Wilder. Bella schien aber anderer

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