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Die Wand

Titel: Die Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlen Haushofer
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in aller Stille unter ihrem Winterpelz rundlich geworden war. Dazu das launische Wesen. Ich konnte mir alles zusammenreimen. Herr Ka-au Ka-au war seinem Sohn längst zuvorgekommen. Die Katze ließ sich willig untersuchen und den Bauch sanft betasten, und plötzlich nahm sie meine Hand gefangen und biß vorsichtig in meine Knöchel. Es sah aus, als lachte sie über meine Blindheit.
    Gerade damals machte ich mir weniger Sorgen um Tiger. Er war ja schon einmal zurückgekommen, und er war erwachsen und stark. Aber Tiger kam nicht zurück, nicht in jener Nacht und überhaupt nie wieder. Am vierundzwanzigsten Dezember schickte ich Luchs aus, um ihn zu suchen. Ich nahm ihn an die Leine, und er verfolgte eifrig seine Spur. Im Wald gab es natürlich eine Menge andere Spuren, und Luchs wurde manchmal unsicher. Eine Stunde lang schleppte er mich hin und her, und plötzlich geriet er in heftige Erregung und riß mir fast die Leine aus der Hand. Dann standen wir aufeinmal am Bach, weit oberhalb der Hütte. Luchs sah zu mir auf und bellte ganz leise. Hier endete Tigers Spur. Wir überquerten den Bach, aber Luchs schien die Spur nicht mehr zu finden und kehrte immer wieder zur Stelle am andern Ufer zurück. Ich suchte das Bachufer ab, fand aber nichts. Wenn Tiger, was ich mir einfach nicht erklären konnte, in den Bach gefallen war, hatte ihn das Schneewasser längst mitgerissen. Ich werde nie wissen, was mit Tiger geschehen ist, und das quält mich noch heute.
    Am Abend saß ich bei der Lampe und las in einem Kalender, aber nur mit den Augen, mein Kopf war draußen im schwarzen Wald. Immer wieder sah ich nach der Katzentür, aber Tiger kam nicht zurück. Am nächsten Tag legte sich der Föhn, und es fing wieder an zu schneien. Es schneite tagelang. Ich wußte, daß ich den neuen Verlust einfach ertragen mußte, und versuchte gar nicht erst, meinen Kummer um Tiger zu verdrängen. Die Schneemauer vor der Hütte wuchs an, und ich mußte täglich die Wege zu den Ställen ausschaufeln. Das neue Jahr brach an. Ich tat meine Arbeit und ging ein wenig betäubt in der Schneewüste umher. Endlich hörte ich auf, jeden Abend auf Tiger zu warten. Aber ich vergaß ihn nicht. Noch heute huscht sein grauer Schatten im Traum über meine Wege. Luchs und Stier haben sich zu ihm gesellt, und Perle war ihm vorausgegangen. Sie haben mich alle verlassen, ungern sind sie fortgegangen, sie hätten so gern ihr kurzes schuldloses Leben zu Ende gelebt. Aber ich konnte sie nicht beschützen.
    Die alte Katze liegt vor. mir auf dem Tisch und starrt durch mich hindurch. Damals, eine Woche nach Tigers Verschwinden, zog sie sich in den Kasten zurück und gebar unter schrecklichem Wimmern vier tote Kätzchen. Ich nahm sie ihr weg und begrub sie auf der Wiese unterErde und Schnee. Es waren zwei winzige, wunderschön gezeichnete Tigerchen und zwei Rotblonde. Alles an ihnen war vollkommen, von den Ohren bis zur Schwanzspitze, und doch hatten sie nicht leben können. Die Katze war so krank, daß ich fürchtete, auch sie zu verlieren. Sie fieberte, fraß nicht und stieß immer wieder kleine Schmerzensschreie aus. Was ihr aber fehlte, weiß ich bis heute nicht und kann es mir auch nicht vorstellen. Tagelang konnte sie die Milch nur von meinen Fingern lecken. Ihr Fell war tot und struppig, und ihre Augen waren verklebt. Und jede Nacht schleppte sie sich ins Freie und kam nach einigen Minuten jammernd zurückgekrochen. Um keinen Preis konnte sie ihr Lager oder die Hütte beschmutzen. Ich tat für sie, was ich konnte, flößte ihr Kamillentee ein und und ein winziges Stückchen Aspirin, das sie nur schluckte, weil sie zu schwach war, um es auszuspucken. Damals merkte ich erst, daß die Katze zu einem Stück meines neuen Lebens geworden war. Seit sie so krank war, scheint sie mehr an mir zu hängen als zuvor. Nach einer Woche fing sie an zu fressen und nach weiteren vier Tagen nahm sie ihr altes Leben wieder auf. Aber etwas in ihr schien zerbrochen zu sein. Stundenlang hockte sie auf einer Stelle, und wenn ich sie streichelte, schrie sie leise auf und steckte die Nase in meine Handfläche. Sie war nicht einmal fähig Luchs anzufauchen, als er sie neugierig beschnüffelte. Sie senkte nur ergeben den Kopf und schloß die Augen. Während ihrer Krankheit hatte sie ganz seltsam gerochen, scharf und ein wenig bitter. Es dauerte drei Wochen, bis sie diesen kranken Geruch ganz verlor. Dann aber erholte sie sich rasch, und ihr Fell wurde wieder glänzend und voll.
    Kaum war die

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