Die Wanderapothekerin 1-6
Sicherheit schon vorbei. Sie konnte nur hoffen, dass ihr Onkel früh genug gekommen war, sonst hatte Tobias Just den Stand aufbauen müssen. Und der würde ihr gewiss krummnehmen, wenn er seine Ware neben einfachen Kräuterweiblein und großmäuligen Theriak-Verkäufern an den Mann hatte bringen müssen.
Als sie das Martha erklärte, lachte ihre Freundin und winkte ab. »Herr Tobias ist auch nur ein Mensch mit zwei Armen, zwei Beinen und einem Kopf. Da kann er ruhig mal was tun. Ich frage mich ohnehin, was er hier zu suchen hat. Deinen Worten nach haben dein Vater und dein Onkel früher alles allein gemacht.«
»Ja, das schon, aber …« Klara brach ab, denn auch sie verstand nicht, weshalb Tobias heuer die Verteilung der Arzneien und Essenzen vornahm. Ihr Onkel hätte dies ebenso gut übernehmen können.
»Wahrscheinlich ist er mitgekommen, um zu verhindern, dass mein Oheim mich über den Löffel balbiert«, antwortete sie schließlich.
»Nach allem, was du mir über den Mann berichtet hast, würde ich nicht dagegen wetten«, erwiderte Martha ernst. »In Kitzingen habe ich nicht den besten Eindruck von deinem Oheim gewonnen.«
Klara bezweifelte ebenfalls, dass ihr Onkel ehrlich handeln würde, und war daher froh, dass Tobias achtgab. Justs Sohn konnte so leicht keiner die Butter vom Brot nehmen. Nun aber galt es, das Tor zu erreichen, bevor es geschlossen wurde, und dann die Gastwirtschaft, die Tobias ihr als Treffpunkt genannt hatte. Daher wurde sie schneller und hörte Martha hinter sich maulen.
»Warum rennst du so? Wir sind doch gleich da!«
»Ich möchte die Herberge erreicht haben, bevor die Dämmerung hereinbricht«, antwortete Klara, ohne langsamer zu werden.
Am Stadttor war um diese Zeit nicht mehr viel los. Die Wachen standen gelangweilt herum und starrten sie und Martha zunächst nur abschätzend an. Als sie das Reff auf Klaras Rücken entdeckten, begann einer zu lachen.
»Wenn du noch zum Markt willst: Der ist schon vorbei!«
»Das wissen wir! Wir wollen zum
Gasthof zum Ochsen
«, antwortete Klara.
»Der
Ochse
ist eine Herberge für Fuhrleute und nicht für die Kiepenhändler«, wandte der Torwächter ein.
»Wir müssen trotzdem dorthin!«, antwortete Klara, die spürte, wie ihr der Schweiß zwischen den Schulterblättern hinabrann.
Jetzt wäre ein Bad recht, dachte sie, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Richtig baden würde sie erst wieder zu Hause können. In der Herberge war es einfach zu teuer, sich eine Wanne füllen zu lassen. Außerdem wollte sie nicht alle möglichen Knechte und Burschen als Zuschauer an der Tür oder vor den Fenstern sehen.
»Dann geht zum
Ochsen.
Wundert euch aber nicht, wenn euch der Wirt sofort vor die Tür setzt. Der nimmt keine allein reisenden Weiber auf. Will keine Huren im Haus, sagt er.«
Der Stadtknecht grinste anzüglich, denn die beiden Mädchen waren hübsch, und er wünschte sich, sie würden irgendwo übernachten, wo auch er hingehen konnte.
Anders als Klara bemerkte Martha das Interesse des Mannes, musterte ihn verstohlen und schnaubte dann verächtlich. Der Torwächter war nicht größer als sie und hatte neben einem Mondgesicht einen Bauchansatz, der deutlich zeigte, dass er keine langen Märsche gewohnt war. Ohne ihm einen zweiten Blick zu gönnen, trat sie an ihm vorbei und winkte Klara, ihr zu folgen.
»Wir werden doch sehen, ob wir im
Ochsen
aufgenommen werden oder nicht!«
Klara hastete hinter ihr her und begriff erst auf der Gasse, dass sie beide es versäumt hatten, nach dem Gasthof zu fragen. Nun holte sie es nach und erntete neben der Beschreibung ein nachsichtiges Kopfschütteln. Anscheinend glaubte hier keiner, dass sie im
Ochsen
Aufnahme finden würden.
Dort angekommen, wandte Klara sich an den ersten Knecht, der ihr über den Weg lief. »He, du da! Kannst du mir sagen, ob Herr Tobias Just noch hier weilt?«
»Tobias Just?« Der Mann überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Nein, das tut er nicht. Er ist vor ein paar Tagen aufgebrochen. Ich glaube aber, dass er bald wiederkommt, denn er hat sich hier ein Pferd ausgeliehen.«
Klara atmete auf. Bis Tobias wieder erschien, wollte sie aufgebrochen sein. Der Gedanke, dass Martha erneut heimlich in seine Kammer schleichen könnte, war einfach zu schmerzlich für sie. Nun aber brauchten sie erst einmal ein Zimmer für die Nacht.
»Herr Tobias hat euch gewiss gesagt, dass wir für ihn und seinen Vater Arzneien austragen und hier übernachten werden.«
Der Knecht verzog
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