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Die Wanderapothekerin 1-6

Die Wanderapothekerin 1-6

Titel: Die Wanderapothekerin 1-6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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immer.
    Bis jetzt hatte Klara sich still verhalten. Als der Bär jedoch die fliehenden Jagdknechte verfolgte und sich dabei immer weiter entfernte, eilte sie zu dem Baum, an dem die angebliche Hexe gefesselt war.
    Martha sah einen Schatten auf sich zukommen, glaubte, es wäre der Bär, und wollte aufschreien. Da erkannte sie eine junge Frau in einer fremden Tracht mit einem schweren Traggestell auf dem Rücken. »Wer bist du?«, fragte sie verwundert, aber auch hoffnungsvoll.
    »Zum Reden haben wir keine Zeit!«, stieß Klara hervor und zog ihr Messer, um die vom Honig glitschigen Stricke zu durchtrennen. Es ging schwerer als erwartet. Gleichzeitig vernahm sie das Brummen des Bären, der offensichtlich näher kam. Er hatte wohl die Jagdknechte getötet oder die Lust an einer weiteren Verfolgung der Männer verloren. Kurz darauf verriet ein Klappern, dass er sich wieder über den Honigeimer hermachte.
    Wie lange wird es dauern, bis er das Gefäß ausgeleckt hat und bei Martha weiterschlecken will?, fuhr es Klara durch den Kopf. Sie legte ihr die Hand auf ihren Mund und sprach leise auf die verängstigte Frau ein.
    »Wir dürfen nicht den geringsten Lärm machen, verstehst du?«
    Martha antwortete mit einem Nicken. Sehen konnten sie den Bären nicht, doch sie wussten, dass er innerhalb weniger Herzschläge bei ihnen sein würde. Endlich gaben die Stricke nach, und Martha war frei. Doch als sie versuchte, auf eigenen Beinen zu stehen, stieß sie einen gepressten Laut aus und blickte sich dann erschrocken in Richtung des Bären um. Der war jedoch immer noch mit dem Honigeimer beschäftigt.
    »Ich kann kaum gehen. Es tut alles weh!«, wisperte sie.
    Klara überlegte verzweifelt, was sie machen konnte, und erinnerte sich dann an den See. Da Schilf darin wuchs, konnte er nicht besonders tief sein. »Wir müssen zum Wasser. In den See wird der Bär uns hoffentlich nicht folgen!«
    Erneut nickte Martha, obwohl sie nicht davon überzeugt war, dort vor dem Bären in Sicherheit zu sein. Eine andere Möglichkeit gab es jedoch nicht. Selbst die knapp einhundert Schritte zum Ufer waren für sie eine Qual, so dass Klara sie trotz des hinderlichen Reffs stützen musste.
    Am See angekommen, begriff Klara, dass sie ihr Traggestell nicht mit ins Wasser mitnehmen konnte. Doch wenn sie es am Ufer zurückließ, konnte der Bär es in seiner Wut zerschlagen. Einen Augenblick blieb sie unsicher stehen, setzte sich aber auf einen Laut des Bären hin wieder in Bewegung und stellte das Reff neben ein Gebüsch am Ufer. Anschließend stieg sie vorsichtig in den See und atmete auf, als sie darin so stehen konnte, dass ihre Schultern noch aus dem Wasser ragten.
    Martha folgte ihr, zitterte aber wie Espenlaub. »Ich kann nicht schwimmen«, wimmerte sie.
    »Sei still, sonst hört uns der Bär!«, wies Klara sie leise zurecht und zog sie auf das Schilf zu.
    Darin verbargen sich die beiden Mädchen und blieben erst einmal ganz still. Nach einer Weile wagte Klara es dann doch, nach dem Bären zu schauen. Dieser stand neben dem Baum, an den Martha gebunden gewesen war, und leckte den Honig von der Rinde. Dabei verschmähte er auch die Reste der Seile nicht und kaute den Honig aus ihnen heraus.
    »Was machen wir, wenn er die ganze Nacht hierbleibt?«, fragte Martha besorgt.
    »Das wollen wir nicht hoffen!«
    Es war, als hätte der Bär es gehört, denn er wandte dem Baum den Rücken zu und schnupperte. »Guter Gott, lass den Wind nicht aus unserer Richtung wehen«, flehte Klara leise.
    Dies schien der Fall zu sein, denn das Tier brummte und trabte dann in die Richtung, in der er mindestens zwei der Jagdknechte getötet hatte.
    »Wir warten noch eine Weile ab, ob er zurückkommt, dann verschwinden wir von hier«, flüsterte Klara Martha ins Ohr.
    »Glaubst du nicht, dass er uns verfolgt?«, fragte diese für ihr Gefühl fast zu laut.
    Klara schüttelte den Kopf und sagte »Nein!«, weil Martha ihre Geste in der Dunkelheit nicht sehen konnte.
    »Dann komm zum anderen Ufer!« Im Augenblick vergaß Martha ganz, dass sie nicht schwimmen konnte.
    »Das geht nicht! Ich muss mein Reff holen«, widersprach Klara.
    »Aber wenn das Vieh uns frisst!«
    »Du kannst ja durch den See gehen. Ich aber brauche meine Rückentrage. Die ist alles, was ich besitze.« Klara ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihr Reff holen würde.
    Mit einem leisen Zischen wandte Martha sich ab, machte ein paar Schritte und geriet an eine Stelle, an der der Seegrund auf einmal steil abfiel.

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