Die Wanderapothekerin 3: Hexenjagd (German Edition)
ließ den Kopf hängen. »Vielleicht lässt man dich gehen, wenn ich alle Schuld auf mich nehme.«
»Welche Schuld?«, fuhr Klara auf. »Der Einzige, der Schuld auf sich geladen hat, ist dieser verfluchte Graf! Wenn du dich jetzt schuldig bekennst, gibst du diesem Schwein in allem recht! Außerdem würde es mir nicht viel helfen, denn selbst wenn ich freikomme, kann er mir mit seinen Männern jederzeit folgen und mich im Wald niederhauen, ohne dass ihn irgendjemand zur Rechenschaft ziehen wird.«
Es war gleichgültig, von welcher Warte Klara ihre Situation betrachtete, die Zukunft sah so oder so düster aus, denn sie würde in dieser Stadt sterben. Der Gedanke tat weh, und sie bedauerte zum ersten Mal, dass sie so forsch gewesen war, von Fürst Ludwig Friedrich das Privileg zu erbitten, als Wanderapothekerin durch die Lande ziehen zu dürfen. Nun würden die Mutter und ihre kleinen Geschwister nach dem Vater und Gerold auch sie verlieren. Dies bedeutete außerdem, dass die Mutter sich im Herbst den Forderungen des Onkels beugen und diesem den Schatz ausliefern musste.
Klara schüttelte den Kopf, weil sie in dieser Situation ausgerechnet daran dachte. Doch irgendwie passte alles zusammen. Seit dem Verschwinden des Vaters wurden sie vom Unglück regelrecht verfolgt.
Bevor sie weiter ihren trostlosen Gedanken nachhängen konnte, wurde die Tür geöffnet, und der Wärter trat, von zwei Stadtknechten begleitet, in ihre Zelle.
»Auf geht’s! Das hohe Gericht wartet. Es soll nicht zu lange dauern, denn wir wollen rechtzeitig Mittag machen.«
Angesichts dieser Bemerkung hätte Klara dem Mann am liebsten eine Ohrfeige verpasst. Für Martha und sie ging es ums nackte Überleben, und er dachte nur an seinen Bauch. Mit einem Fauchen stand sie auf und sah ihre Freundin entschlossen an.
»Gleichgültig, was geschieht! Wir lassen uns nicht unterkriegen.«
»Das haben schon ganz andere gesagt und sind vor dem Richter sehr klein und demütig geworden«, meinte der Wärter gemütlich und machte wieder eine Handbewegung, als wolle er ein paar Hühner zur Zelle hinausscheuchen.
Mit zusammengebissenen Zähnen verließ Klara den Raum und stieg, von den beiden Stadtknechten flankiert, nach oben. Um zum Gericht zu kommen, mussten sie die Gasse hoch und den gesamten Marktplatz überqueren. Dort starrten die Leute sie an, als trügen Martha und sie Teufelshörner auf dem Kopf. So musste sich das Spießrutenlaufen der Soldaten anfühlen, dachte Klara. Kurz darauf erreichten sie das große Gebäude, in dem das Gericht tagte. Eine Statue der Justitia stand davor, mit verbundenen Augen, aber mit entblößter Brust und Waage und Schwert in der Hand.
Martha starrte das Standbild an und schüttelte den Kopf. »Wenn wir so herumlaufen würden, würde man uns wegen unzüchtigen Verhaltens einsperren.«
»Ist ja bloß eine Steinfigur«, wandte einer der Stadtknechte ein.
Klara war ebenfalls verwundert, denn die Statue war so natürlich gestaltet, als hätte der Steinmetz ein lebendes Vorbild genommen. Was mochte das für eine Frau gewesen sein, die sich halbnackt aus Stein hauen und auf dem Marktplatz dieser Stadt aufstellen ließ?, fragte sie sich. Wahrscheinlich trug die Dargestellte auch deshalb die Binde um die Augen, damit keiner ihr Gesicht erkennen konnte.
Der Eingang zum Gerichtsgebäude war groß genug, dass ein Fuhrwerk hätte hindurchfahren können, wäre da nicht die Freitreppe gewesen, die sie hinaufsteigen mussten. Auch der Flur war riesig. In Klaras Augen war es Verschwendung, so zu bauen, denn gerechte Urteile hätte man auch in bescheidenerem Rahmen sprechen können.
Dieser Eindruck verstärkte sich noch, als sie in den Gerichtssaal geführt wurden. Der Raum war so groß, dass einhundert Menschen bequem darin Platz fanden. Decke und Wände waren mit dunklem Holz getäfelt, und an der Stirnwand stand ein großes Kreuz zum Zeichen, dass hier im Namen Gottes Recht gesprochen wurde. Davor befand sich ein wuchtiger Tisch, hinter dem der Richter, seine Beisitzer und der Gerichtsschreiber saßen. Seitlich davon befand sich ein kleinerer Tisch. Dort hatte Graf Benno als Ankläger Platz genommen. Als er Martha und sie eintreten sah, verzog er höhnisch das Gesicht und machte eine obszöne Geste.
Klara nahm sich vor, ihn nicht zu beachten, und sah sich weiter um. Hinter dem Grafen hockten dessen Knechte auf schlichten Holzbänken und wirkten ebenfalls sehr zufrieden. Auf der anderen Seite hatten sich die Honoratioren der Stadt
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