Die Wanderapothekerin 3: Hexenjagd (German Edition)
auf verzierten Stühlen niedergelassen, und weiter hinten standen die Leute dicht an dicht, um sich den Prozess nicht entgehen zu lassen.
Einer der Stadtknechte meldete dem Richter, dass die beiden armen Sünderinnen gebracht worden seien. Erst jetzt sah der hohe Herr auf und betrachtete Klara und deren Freundin mit einem gewissen Interesse. Während Martha die Angst anzumerken war, hatte Klara die Unterlippe kämpferisch vorgeschoben und wirkte so angespannt wie eine Stahlfeder.
Auf ein Zeichen des Richters begann dessen Schreiber, die Anklage vorzulesen. Klara hätte beinahe hell aufgelacht, als sie hörte, welcher Verbrechen Graf Benno Martha und sie beschuldigte. Es fehlte nur noch, dass sie Veit und die beiden anderen Jagdknechte mit eigener Hand ermordet hätten.
»Wenn ihr gleich gesteht, können wir diesen Prozess rasch beenden«, erklärte der Richter.
Anscheinend will auch er bald nach Hause zum Essen, dachte Klara und schüttelte den Kopf.
»Was sollen wir gestehen?«, fragte sie mit gepresster Stimme. »Diese Anklagen sind an den Haaren herbeigezogen. Jeder vernünftige Mensch weiß, dass es keine Hexen gibt. Daher kann Martha auch niemanden verhext oder einen Geisterbären herbeigerufen haben. Abgesehen davon, dass auch keine Geisterbären existieren.«
»Deine Frechheit wird dir nicht mehr helfen!«, brüllte Graf Benno los. »Ich kann alles bezeugen, und meine Männer ebenso.«
»Das stimmt, Euer Hochwohlgeboren«, sagte Gangolf und verbeugte sich vor dem Richter. »Es war wirklich ein Geisterbär und so entsetzlich, dass mir allein beim Gedanken an ihn das Blut in den Adern stockt.«
»Berichtet!«, forderte der Richter den Grafen auf.
Klara erwartete, dass Benno von Güssberg aufstehen würde, wie es sich vor Gericht ziemte, doch er blieb sitzen.
»Es war so«, begann er und erzählte, wie er den Holzknecht Damian wegen Wilderei hatte aufhängen lassen und dessen Tochter ihm daraufhin einen Fluch angehängt habe.
»Keine fünf Tage später erschien dieser Geisterbär und fiel über meine Herden her«, fuhr er fort.
»Warum erst fünf Tage später und nicht gleich, nachdem die Hexe ihren Fluch gesprochen hatte?«, wollte der Richter wissen.
Graf Benno starrte ihn verwirrt an. »Das … das weiß ich nicht. Wahrscheinlich hat sie so lange gebraucht, um ihren höllischen Herrn zu rufen!«
»Warum habt Ihr Eure Leibeigene nicht gleich bestraft, nachdem sie Euch verflucht hat?«, fragte der Richter weiter.
»Ich wollte es ja, aber dieses Miststück war zu flink und ist in den Wald geflohen. Wir haben sechs Tage gebraucht, um sie dort herauszuholen. Da waren meine Schafe bereits gerissen!« Dem Grafen war die Wut darüber anzumerken.
»Wie habt Ihr erkannt, dass es sich um einen Geisterbären handelt und nicht um einen ganz normalen Bären? Habt Ihr ihn gejagt und angegriffen?«
Die Neugier des Richters war schier unerschöpflich. Klara wunderte sich und begann wieder zu hoffen, während Martha wie ein Häuflein Elend neben ihr stand und leise darum betete, nicht ihrem Herrn ausgeliefert zu werden.
Graf Benno schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ich habe sofort gemerkt, dass es bei diesem Bären nicht mit rechten Dingen zugehen kann! Wer hätte je so ein riesiges Tier gesehen? Dazu trug er das Zeichen des Teufels im Gesicht!«
»Das Zeichen des Teufels?« Der Richter hob erstaunt den Kopf.
»Ja, diesen weißen Streifen, der quer über seinen Schädel verläuft. Daran konnte man deutlich erkennen, dass es sich um ein Wesen der Geisterwelt handelt!« Jetzt fühlte Graf Benno sich wieder obenauf und berichtete, dass er den Fluch dadurch habe brechen wollen, dass die Hexe durch ihre eigene Kreatur zu Tode kommen sollte.
»Doch was glaubt Ihr, ist geschehen? Der Bär hat ihr nicht das Geringste getan, sondern ist über meine braven Jagdknechte hergefallen und hat dann die Hexe befreit!«, erklärte er noch und lehnte sich zurück.
»Das verstehe ich nicht«, wunderte sich der Richter. »In Eurer Anklage beschuldigt Ihr die Jungfer Klara Schneidt, die Hexe befreit zu haben. Die Hexe selbst behauptet, die Wanderapothekerin unterwegs getroffen zu haben, und diese habe sie aus Mitleid mitgenommen.«
»Nun, so genau weiß ich auch nicht, wie das vor sich gegangen ist. Aber die Kiepenträgerin hat der Hexe geholfen und ist damit ebenso schuld wie diese.«
»Halt!«, wandte da der Richter ein. »Wer Mitleid bestraft, vergeht sich gegen Gottes Gebot. Die Jungfer Schneidt hat genau so
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