Die Wanderapothekerin 4: Gift (German Edition)
tun«, versprach Schneidt, der seinen Bruder stets beneidet hatte, weil dieser seinen Stand hier in Michelstadt hatte aufbauen können. Gerold war das auch gelungen, aber nun würden die Taler in seine Tasche wandern.
Der Wirt beobachtete die beiden Gäste, und es lag ihm bereits auf der Zunge, Tobias zu sagen, er sollte sich selbst auf den Markt stellen. Der Laborantensohn würde gewiss bessere Geschäfte machen als Alois Schneidt. Da er sich den Buckelapotheker aber nicht zum Feind machen wollte, ließ er es sein.
»Brecht Ihr zu Fuß auf, oder wollt Ihr ein Pferd mieten?«, fragte er Tobias. Dieser überlegte kurz.
»Ich nehme ein Pferd. Damit komme ich schneller voran.«
»Wenn Ihr mir Vertrauen schenkt, werde ich Euch eines besorgen«, bot der Wirt an.
»Tut das!«, antwortete Tobias erleichtert und fand gleichzeitig, dass sie sich zu Hause endlich einen Gaul leisten sollten, der sowohl geritten wie auch vor einen leichten Wagen gespannt werden konnte.
13.
N och vor Tau und Tag brach Tobias, von einem Reitknecht des Pferdebesitzers begleitet, auf. Er verging fast vor Angst um Klara, verfluchte das Mädchen aber gleichzeitig, weil es ihm solche Sorgen bereitete. Bereits am Abend vorher hatte er Alois Schneidt die Arzneien für den Markt und für den nächsten Teil der Strecke übergeben. Viel war es nicht gewesen, denn der Mann hatte weniger verkauft, als zu erwarten gewesen war, und so wunderte er sich immer noch, wie Schneidt sich das gute Essen und mehr als einen Becher Wein hatte leisten können. Er selbst trank unterwegs meist Bier, da es billiger war, und aß weitaus häufiger Eintopf als Braten. Dabei hatte sein Vater ihm einiges mehr an Geld mitgegeben, als er in Schneidts Beutel vermutete.
Am Stadttor vergaß er Klaras Onkel wieder und überlegte, welchen Weg er einschlagen musste. Sein Vater hatte ihm eine Liste mit all den Ortschaften auf Klaras Strecke mitgegeben, aber auf dieser Teilstrecke lagen die Ziele sehr verstreut. Daher wusste er nicht, in welcher Reihenfolge Klara einige von ihnen aufsuchen würde, und konnte nur hoffen, sie nicht zu verpassen.
»Ich sollte ihr den Hintern versohlen, weil sie sich auf diese verrückte Sache eingelassen hat«, murmelte er und stellte sich dies bildlich vor.
Ihr Hintern war ansprechend, das hatte er trotz ihrer unkleidsamen Tracht feststellen können. Auch wirkte sie nicht mehr so kindlich wie noch vor drei Jahren, als er sie mit ihrer Familie in Königsee getroffen hatte. Sie hatte sich zu einem ansehnlichen Frauenzimmer entwickelt, und er bedauerte immer mehr, dass er sie seinem Vater nicht als Schwiegertochter ins Haus bringen konnte.
»Du bist ein Narr, Tobias!«, schalt er sich. »Klara ist keine Frau für dich, und für eine Liebschaft ist sie zu schade.«
Der Gedanke, dass sie möglicherweise einen Fritz Kircher heiraten würde, den er für zu dumm hielt, um bis drei zählen zu können, gefiel ihm nicht. Gleichzeitig begriff er, dass er es nicht wagen durfte, das Mädchen zu berühren. Er wusste nicht, ob er sich dann noch beherrschen konnte.
»Warum musste Gott die Eva erschaffen? Adam hätte doch voll und ganz gereicht«, murmelte er und griff sich an die Seite, so als wäre dort jene bewusste Rippe entnommen worden, aus der die Urmutter der Menschheit erschaffen worden war.
Wenig später erreichte er das erste Dorf auf dem Weg, den Klara nehmen musste, um nach Michelstadt zu gelangen, und fragte einen Bauern auf dem Feld nach ihr. Der Mann sah ihn an, kratzte sich dann im Genick und schüttelte den Kopf.
»Eine Frau mit einem Traggestell auf dem Rücken habe ich die letzten Tage nicht gesehen. Die Letzte war die Hökerin Berthe, aber das ist schon zwei Wochen her, und sie ist auch nicht mehr so jung wie die, die Ihr sucht, junger Herr. Sie muss die fünfzig bald überschritten haben – die Berthe, meine ich.«
»Schon gut!«, bremste Tobias seinen Redeschwall. »Klara ist also hier noch nicht gewesen. Daher werde ich sie weitersuchen. Gott befohlen!«
»Gott befohlen!«, antwortete der Bauer und sah hinter Tobias her, der versuchte, seinen behäbigen Wallach zu einer schnelleren Gangart zu bewegen.
Auch in den nächsten Dörfern fand Tobias nicht die geringste Spur von Klara, und seine Sorge wuchs. Schließlich erreichte er jene Stelle, von der mehrere Wege in einsame Seitentäler abzweigten. Nun galt es für ihn, den richtigen zu wählen. Er behalf sich mit einem Abzählreim und ritt los. Schon bald brach die Nacht herein, und so
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