Die Wanderapothekerin 6: Der Schatz (German Edition)
und Taten war, winkte Alois Schneidt die Tochter des Wirts heran und befahl ihr, ihm einen weiteren Krug Wein zu bringen. Als sie damit zurückkam, hielt er sie auf.
»Weißt du, ob meine Nichte schon angekommen ist? Sie müsste in deinem Alter sein und trägt auf dem Rücken ein Reff wie das meine.«
Die junge Frau schüttelte sofort den Kopf. »Nein, das wüsste ich.«
Sehr gut!, kommentierte Schneidt im Stillen. Nun konnte er Klara entgegengehen und sie an einem abgelegenen Ort abpassen. Er wollte die Wirtstochter bereits wegschicken, als ihm noch etwas einfiel.
»Ein junger Mann aus meiner Heimat wollte ebenfalls hierherkommen. Er heißt Tobias Just!«
»Der war schon hier!«, berichtete das Mädchen. »Ein hübscher Bursche, wenn du mich fragst. Aber der hat sich gestern ein Pferd geliehen und ist wieder weggeritten, weil er jemanden suchen wollte.«
Gewiss die Klara, durchfuhr es Schneidt, und er begriff, dass ihm ein Wettrennen bevorstand, wer von ihnen das Mädchen als Erster erreichen würde. Dann aber wischte er diesen Gedanken mit einer so heftigen Geste von sich weg, dass er seinen Weinkrug umstieß.
Die Wirtstochter nahm sofort einen Lappen und wischte den Tisch trocken. »Du kannst von Glück sagen, Schneidt, dass du dir nur einen kleinen Krug hast füllen lassen. Ein großer hätte die halbe Gaststube überschwemmt.«
Einige Gäste lachten, doch Alois Schneidt achtete nicht auf sie. Um Tobias Just musste er sich keine Gedanken machen, sagte er sich. Der war genauso ein grüner Junge, wie sein Neffe Gerold es gewesen war. Wenn Tobias zusammen mit Klara irgendwo in der Fremde verlorenging, würde ihn niemand verdächtigen, dafür verantwortlich zu sein. Vor allem dann nicht, wenn er zu Hause andeutete, zwischen den beiden wäre es zu einer unerlaubten Beziehung gekommen, wegen der er sie gescholten hätte. Danach wären sie verschwunden, und er hätte keine Ahnung, wohin.
»Soll ich das Krüglein noch einmal füllen?«, fragte die Wirtstochter.
Alois Schneidt überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Nein, ich muss morgen sehr früh raus. Ich will zu dem Ort gehen, an dem mein Bruder gestorben ist, um dort für sein Seelenheil zu beten.«
Damit, so sagte er sich, hatte er seine Abreise sehr gut erklärt. Nun galt es, rasch zu handeln. Allerdings würde er das Reff hier zurücklassen, da es ihn nur behinderte.
Bei dem Gedanken steckte er die rechte Hand in seine Rocktasche und tastete nach dem großen Klappmesser, das er als Waffe bei sich trug.
5.
K lara musterte ihren Patienten und fand, dass sein Zustand sich in den letzten drei Tagen gebessert hatte. Mittlerweile aß er mit gutem Appetit, und seine Haut wirkte auch nicht mehr so durchscheinend. Er vermochte sogar ein wenig mit ihr und Martha zu scherzen.
»Mon Dieu!«,
sagte er gerade lachend. »Ich darf zu Hause gar nicht sagen, dass ich mein Zelt mehrere Tage lang mit zwei der schönsten Mädchen der Welt geteilt habe und so keusch wie ein Mönch geblieben bin.
Non,
das ist kein guter Vergleich! So keusch sind Mönche auch wieder nicht.«
»Ich freue mich, dass es Euch bessergeht, Herr Oberst«, antwortete Klara und spürte zu ihrer Überraschung, dass sie es ehrlich meinte. Auch wenn de Thorné ein Feind war, so hielt sie ihn für keinen schlechten Menschen. Die anderen französischen Offiziere waren ebenfalls in Ordnung – bis auf den Hauptmann, schränkte sie ein. Der zeigte deutlich, dass er sie und ihre Freundin nicht mochte. Was die Soldaten betraf, machten sie zwar anzügliche Bemerkungen, doch keiner nahm sich weitere Frechheiten heraus.
De Thorné lachte erneut. »Du kannst dich nicht mehr freuen als ich mich selbst,
ma fille!
Vor ein paar Tagen sah es so aus, als würde ich die Heimat nur als Toter wiedersehen, doch jetzt hoffe ich, noch etliche Jahre zu leben.«
»Dann sollten wir dafür sorgen, dass es auch so bleibt. Ich werde jetzt Euren Verband wechseln und die Wunde auswaschen!« Klara holte eine Glasflasche und sah, wie de Thorné aufstöhnte.
»Muss das sein? Das Zeug brennt jedes Mal so, als würde meine ganze Brust in Flammen stehen.«
»Dieses Feuer, wenn wir es so nennen wollen, brennt alles Böse und Kranke weg! Meine Mutter hat mich gelehrt, es anzuwenden. Auch wenn der Schmerz einem im Augenblick die Tränen in die Augen treibt, so hilft es auf die Dauer«, erklärte Klara und löste de Thornés Verband.
Die Behandlung tat weh, und der Oberst biss die Zähne zusammen, um nicht aufzustöhnen.
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